Selbstverständlich virtuell, wie man jetzt so schön sagt. Denn Ende der 6oer und Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts konnte der Sohn eines einfachen sowjetischen Ingenieurs aus einem gewöhnlichen Gebietezentrum über eine Reise sogar in die DDR nur träumen. „Sogar“ im Vergleich, z.B. mit Jugoslawien, die aus unerklärlichen Gründen mit kapitalistischen Ländern gleichgesetzt wurde. Und die Länder des „vergammelnden“ Westens…
Obwohl, träumen über solche Reisen in diesem konkreten Fall war auch nicht unbedingt angebracht. Deshalb, weil solche Träume absolut nicht drohten in Realität überzuwachsen.
Und die Delegation aus der DDR in unseren Pionierpalast kam einst. Dank den Klubs der internationalen Freundschaft. Jetzt kann ich nicht mit vollständiger Sicherheit sagen, ob das jetzt eine Art versammeltes Kollektiv aus mehreren Städten war oder nur aus Leipzig, aber Leipzig ist für viele Jahre in Erinnerung geblieben. Und die blaue Pionierkrawatte, die mit damals feierlich geschenkt wurde, – sogar das örtliche Fernsehen war dabei – liegt immer noch ordentlich gefaltet zwischen Bettlaken und Kissenbezügen. Und sogar die Umzüge von einer Wohnung in eine andere hat sie erfolgreich überlebt.
Aber mit mir nach Deutschland ist die Krawatte nicht gefahren. Obwohl, bei einem weiteren Umzug werde ich sie vielleicht entdecken. Jedenfalls gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit.
Also, nachdem ich damals bunte Alben und Postkarten betrachtete, die als Geschenk von den Gästen mitgebracht wurden, war ich lange Zeit von der Schönheit dieser Stadt begeistert. Und dann, im Februar 2005, besuchte ich Leipzig zum ersten Mal.
Um genauer zu sein, erlaubten wir uns mit den Kollegen drei Stunden lang durch die Altstadt zu spazieren, machten eine Art Pause und fuhren dann mit dem Zug aus Dresden nach Hannover. Mit Umsteigen in Leipzig.
Leider ist meine Kamera damals kaputt gegangen gleich am Anfang der Reise und deswegen ist außer „mündlichen“ Eindrücken nichts geblieben. Und zu vergleichen wäre interessant gewesen.
Jedoch, damals machte Leipzig einen ziemlich niederdrückenden Eindruck. Also keine Nachkriegsruinen, aber…
Denn die so genannte Altstadt war überfüllt von Baugerüsten, Zäunen, tiefen Gräben: wie ich jetzt verstehe, wurde in vollem Maße ihre Rekonstruktion durchgeführt. Im Übrigen erinnerte Leipzig stark an jede sowjetische Stadt mittlerer Größe. Und die Häuser war architektonisch fast verwandt (wenn diese „Boxen“ überhaupt was mit Architektur zu tun haben!); und die Straßen, die mit allen möglichen Transportmitteln überfüllt sind; und die sich mit zornigen Gesichtern ständig beeilenden Menschen.
Sehr unangenehm hat die große Menge an leeren Häusern erschüttert. Mit zerschlagenen Fenstern, kaputten Fensterrahmen und vernagelten Eingangstüren. Und das, wie Sie verstehen, in der Nähe des historischen Zentrums, und mit einem Zugbahnhof: sehr weit schaffst du es in zwei Stunden.
Übrigens, der Bahnhof selber hat von innen einen großen Eindruck hinterlassen. Mit seiner Größe (wohl vorrangig) und mit seiner Fülle: Geschäfte, Cafés usw. Nicht, dass es so etwas im Westen des Landes nicht gibt, aber Leipzig wurde a priori als „sowjetische“ Stadt wahrgenommen. Und dort an Bahnhöfen…
Gut, dass das Wetter sonnig war und ziemlich war für Ende Winter.
Zum zweiten Mal war ich in Leipzig sechs Jahre später, und das Hauptziel der Reise war der Besuch der berühmten Buchmesse. Ich hoffe die hiesigen Patrioten werden mir verzeihen, aber die Messe beeindruckte nicht besonders. Weder sie selbst (unter anderem im Vergleich mit der Frankfurter Buchmesse), noch der Komplex der Messegebäude. Bezüglich des letzteren ist alles klar: ich bin verwöhnt von der weltgrößten Hannoverschen Deutsche Messe AG. Aber sogar ohne den Vergleich machen die Gebäude der Leipziger Messe einen unvollständigen und verworrenen Eindruck. Als ob noch etwas hinzu gebaut werden müsste, hinzugefügt und verschönert. Obwohl einzelne architektonische Designerfragmente waren ziemlich interessant.
Die Stadt selber ist in den Jahren schöner geworden. Vor allem das historische Zentrum. Ohne die Gerüste, die Gräben und Krane sieht sie sehr angenehm aus.
Aber das ist wohl alles, was man dazu sagen kann. Weiterhin sind Lächeln auf den Gesichtern der Passanten selten, und auf den Straßen gibt es noch mehr Autos. Natürlich, der größte Teil der „sowjetischen“ Häuser wurde abgerissen oder bis zur vollständigen Unkenntlichkeit verändert. Neben dem Bahnhof wurde ein großes Hotel gebaut, und die Rekonstruktion des Bahnhofsplatzes und der angrenzenden Straßen geht weiter. Und das, allem Anschein nach, noch für lange Zeit.
Und das ehemalige Hotel in der antiken Villa gerade zehn Minuten Fußmarsch vom Hauptbahnhof entfernt leuchtet mit lange nicht geputzten Fenstern. Es wurde wohl kein neuer Besitzer gefunden und die Stadtregierung hat wohl auch keine Zeit dafür: genug andere Probleme.
Weiterhin folgen genau die gleichen leeren Gebäude in der Stadtmitte. Eines davon sehen Sie auf dem Foto. Vom Hauptbahnhof dahin gelangen Sie ganz schnell – einige Minuten entlang einer der Hauptstraßen der Stadt und dann nach links – in eine Gasse. In den vergangenen Jahren hat sich an seinem Aussehen nichts geändert. Vielleicht sind es nur mehr Aufschriften und Bilder geworden. Und es ist leider nicht das Einzige.
Mit einem Wort, Leipzig ist heute nicht die Stadt, in die man immer wieder kommen möchte. Unter anderem auch wegen einzelner Vertreter des Dienstleistungsbereichs. Wenn Ihnen vom Tisch im Restaurant (im „Herzen“ der Altstadt, übrigens) der Teller mit einem nur zur Hälfte gegessenen Steak weggetragen werden soll, dann ist das, sagen wir…ein wenig „eigenartig“.
Klar, das Schicksal hätte es eher als Zufall bezeichnen wollen, denn als Regel, aber der Eindruck blieb. Und wohl kaum wird einer wollen in einer analogen Situation sich aufzufinden.
Glauben Sie nicht, dass der Autor dieser Zeilen ein erblicher Aristokrat ist, der seine Kindheit unter Nannys und Dienstmädchen verbracht hat. Die dazu noch fünf europäische und einige asiatische Sprachen sprechen. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich an Besseres.
Also, die Träume der weit entfernten Pionierkindheit, die auf bunten Fotos vom „Übersee“-Reiseführer basieren, die mit der heutigen Realität zusammengestoßen sind, sind ein wenig…verblasst. Obwohl, tief drin bleibt Leipzig trotzdem die erste deutsche Stadt, die ich das Glück hatte kennenzulernen. Auch wenn auf Entfernung.
Was die einigen negativen Eindrücken von dem live gesehenen betrifft – so ist das Leben. Der Weg jeden von uns ist längst nicht überall mit Rosenblüten bedeckt. Obwohl, auch nicht überall mit Dornen…
Boris Kunin. Foto des Autors.
Aus dem Russischen von Yevgeniya Marmer