„Ich will so sehr, dass der Sommer nicht zu Ende geht,
dass er immer mit mir läuft, hinter mir her…“
Wenn die Organisatoren des alljährlichen zweitägigen Stadtfestes in der deutschen Stadt Aulendorf das alte Lied von Alla Pugatschewa[1] mit diesen Worten kennen würden, dann könnte es durchaus zur Hymne dieses Ereignisses werden.
Denn traditionell findet das Schloss- und Kinderfest am vorletzten Augustwochenende statt – also in der Zeit, wenn man schon fühlt, dass bis zum Ende des heißersehnten, aber so schnell verfliegenden Sommers nur einige Tage bleiben.
Die Straßen und Plätze Aulendorfs verwandeln sich für zwei Tage in einen einzigen großen Biergarten.
Und deswegen, wahrscheinlich, findet dieses Fest hier immer auf besondere Weise statt – grenzenloser Spaß, Freundlichkeit und der Wunsch, wie man so schön sagt, „sich komplett gehen zu lassen“. Und am 17. und 18. August in Aulendorf fand in diesem Jahr das 35. Jubiläums-Schloss- und Kinderfest statt.
Karussells – Freude für die Kinder.
In der ganzen vorhergehenden Woche fanden die Vorbereitungen zu diesem Fest statt: die Stadt wurde mit „Ketten“ bunter Girlanden geschmückt, im Park wurden mobile Attraktionen montiert, auf den Plätzen wurden Konzertbühnen errichtet…Und dann begann der Samstag, der 17. August, als das alles mit einem Sturm aus grellen Lichtern und Geräuschen „explodierte“ und auf die zentralen Straßen von Aulendorf Menschenmassen strömten. Und dort „erwachte“ wieder der Geist der Großstadt – mit dem Gedrängel auf den Bürgersteigen, Parkproblemen, der Kakofonie der Geräusche… Und dazu das freudige Gefühl, dass man sich im Epizentrum des Lebens befindet. Dabei begreift man natürlich, dass dieses Gefühl sich an der Grenze zur Illusion befindet und nach Ende des Festes man auch in einer bestimmten Hinsicht froh sein wird, dass es zu Ende ist. Aber alles fängt erst an, solche Gedanken sind unnötig: „Hurra! Das Schloss- und Kinderfest ist da!“
Dieser Scherzkeks hat nicht schlecht verdient, als er auf dem Fest „Brezeln“ verkaufte“.
Tausende der Stadtbewohner und –gäste, die hierher kamen, um an dem traditionellen belustigenden Akt teilzunehmen, füllten die Straßen der kleinen Stadt. Und jeder von ihnen, von klein bis groß, konnte sich ein Schauspiel nach Belieben aussuchen.
Neben den Karussells und weiteren Attraktionen in dem Kurortpark von Aulendorf, haben die jungen Festgäste mit ihrer Aufmerksamkeit auch nicht bei dem Schauspiel „Vergesslicher Löwe“ des Puppentheaters aus Ostrach, der Vorstellung des Clowns Tommy Nube und der Karaoke-Party gegeizt.
Die Fülle der Sommercocktails im Angebot der Stände erstaunte.
Es gab auch für Erwachsene keinen Grund sich zu langweilen – vor allem für die Schätzer der Live Musik. Gleichzeitig auf mehreren Bühnen, die an verschiedenen Plätzen des Stadtzentrums aufgebaut wurden, traten Gruppen mit unterschiedlichem Musik-„Menü“ auf. Die Neo-Pop Band aus Berlin „Luis Laserpower“, die Lieblinge des Aulendorfer Publikums „BeatBones“, „Lolly Pop“ und „Engels Hausband“, Musikverein Berkheim, Harmonika Club und sogar die Ska-Punk Gruppe „Horny Lulu“… Und jeder dieser Künstler hatte seine Verehrer, die froh waren gute Zeit während des Stadtfestes unter den Lauten der Lieblingsakkorde zu verbringen.
Die üblichen deutschen Speisen waren traditionell gefragt.
Ein großes Interesse genoss auch der traditionelle großmaßstäbliche Flohmarkt, der sich auf der ganzen Fläche des Aulendorfer Schlosses verbreitete – des „Schuldigen“ des zweitägigen Festes. Hier konnte man für sehr kleines Geld Haushaltswaren erstehen oder ziemlich brauchbares Spielzeug oder auch Raritäten, die auf dem Antiquitätenmarkt hoch geschätzt werden. Deswegen ist diese Art der eigenartigen Unterhaltung im „Jagen“ hinter billigen und interessanten Produkten mit einer „Biografie“ auch bei den Menschen sehr beliebt.
Im Schatten der Bäume verschnaufen, auf der Terrasse Kaffee trinken, – was für ein Genuss!
Und überhaupt ist das Schloss- und Kinderfest in Aulendorf einer der beliebtesten Ereignisse, trotz dessen, dass das Sommerprogramm der Stadtfeste im Umland sehr vielfältig ist. Vielleicht liegt es an der Kompaktheit und Gemütlichkeit der Kleinstadt, in das historische Ambiente welcher sowohl die Verkaufsstände, als auch die Musikbühnen hineinpassen. Und vielleicht liegt es auch daran, dass trotz der Atmosphäre der allgemeinen Entspannung und des Spaßes, auf den Straßen Aulendorfs in den Tagen des Schloss- und Kinderfestes, in der Regel, man keine Menschen trifft, dessen Betrunkenheitslevel die Mitmenschen erschrecken könnte. Denn der Status des „Kinder“-Festes verpflichtet jedoch…
In Aulendorf ist an diesen Tagen der Geist der Großstadt „erwacht“.
Obwohl, es ist ein wenig traurig, dass unsere Landsleute nur ein ziemlich schwaches Interesse an solchen typisch deutschen Festen zeigen. Sie kann man nicht so oft in der Menschenmenge der Feiernden auf den Stadtstraßen treffen. Warum sollte das einen auch erstaunen, wenn auf meine Frage „Gehen Sie in den Park zu dem Fest?“, die ich meiner Landsfrau und Mutter von zwei Kindern stellte, ich die mich stark erstaunte Antwort „Was soll ich denn da mit „diesen Deutschen“ machen, tanzen oder was?..“ hörte.
Die Hüpfburg auf dem Platz vor dem Schloss wurde zum beliebtesten Unterhaltungsplatz für die älteren Kinder.
Weitere Fragen von meiner Seite aus folgten keine, aber meine Gedanken kreisten um diesen Satz: Und auch wenn man mit den Einheimischen tanzt, was ist denn daran so schlecht, wenn das Spaß macht und zur Aufrechterhaltung von Freundschaftskontakten mit den Einheimischen führt?! Und genau diese komische Unterteilung in „wir“ und „sie“ – warum findet diese auch unter den Auswanderern aus den ehemaligen Ländern der UdSSR, die in Deutschland schon mehr als 10 Jahre leben? Was ist das, ein Komplex der Nichtkenntnis der Sprache? Der Stolz gegenüber dem insgesamt gastfreundlichen und offenen Volk des Landes? Die Abgeneigtheit (oder Unfähigkeit?) die Traditionen und Bräuche anzunehmen, die in diesem „neuen Land“ agieren? Oder das „Reserviertheitssyndrom“ nach dem Prinzip „Fremd unter den eigenen Leuten“? Gründe kann jeder dieser freiwilligen „Eunuchen“ viele verschiedene haben – aber dann sollten wir uns nicht wundern, wenn wir, Immigranten, stets mit Vorurteilen begegnet werden.
Diana Revazova–Maier
Aulendorf.
Foto des Autors.
Aus dem Russischen von Yevgeniya Marmer
[1] Eine sehr berühmte sowjetische russische Sängerin, die seit den 70er Jahren und bis heute auftritt. (Anmerkung des Übersetzers)