Am 1 August 2013 tritt in Deutschland ein Gesetz in Kraft: Eltern der Kleinkinder haben einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Das Gesetz ist ganz wichtig für die Eltern, die nach der 14monatigen bezahlten Elternzeit oft nicht wissen was mit dem Kind zu tun ist. Weiter zu Hause bleiben? Aber ein Gehalt reicht nicht fürs Leben in Deutschland und die Arbeitgeber werden auch nicht jahrelang abwesender Mitarbeiter dulden. So bleibt nur eins: Kinderkrippe oder „Tagesmutter“. In der Theorie alles prima, was ist in der Praxis? Vor zwei Jahren wurde mein jüngerer Sohn geboren und ich habe selbst viele Erfahrungen gemacht.
Auf der Suche nach einem Platz
Schon nach zwei Monaten nach der Geburt meldete ich das Baby in vier Kindergärten der Stadt an. Zwei von ihnen waren städtische Kindergärten, ein- katholisches und ein-evangelisches. Für eine Anmeldung reichte es ein Formular auszufüllen. Nur in den Katholischen Kindergarten wurden wir für einen Gespräch eingeladen. Die Kindergartenleiterin zeigte uns den Kindergarten und sprach über unsere Familie. So erfuhren wir, dass es im Kindergarten nur eine Krippengruppe für 12 Kinder gibt.
„Sie sind als 105 an der Reihe“, sagte uns die Leiterin am Schluss. Katholiken konnten schneller einen Platz bekommen, als auch die Familien, deren ältere Kindern bereits im Kindergarten angenommen wurden. Wir hatten leider keine „Bonuspunkte“.
In anderen Kindergärten war eine ähnliche Situation: nur 1-2 Krippengruppen und eine große Schlange. Wir konnten nun nur warten und hofften für unser Glück. Später meldeten wir unser Kind im Walddorfkindergarten an, der gerade eröffnet hatte. Vielleicht hatten wir ja hier größere Chancen?!
Teure „Mutter“
Natürlich, hörte ich viel über Tagesmütter und sah oft in der Stadt die Frauen mit mehreren Kindern und Kinderwägen unterwegs. Ich habe bemerkt, dass viele von ihnen Personen mit Migrationshintergrund waren, stammend aus Osteuropa, der Türkei und sogar Südamerika. Vielleicht kümmern sie sich gut um die Kleinen, aber ihre Deutschkenntnisse waren bestimmt nicht so gut.
In unserer kleinen Stadt gab es zwei Firmen, die Tagesmütter an Familien vermittelten. Diese Firmen bereiteten Tagesmütter vor, organisierten für sie kurze Seminare und halfen den Frauen danach Kunden zu finden. Um Tagesmutter zu werden, musste man genug Platz in der Wohnung haben, um Kinderzimmer einzurichten, noch besser wäre ein Haus mit einem Grundstück. In der Firma schaute ich eine Mappe mit Informationen über Tagesmütter durch. Fast wie in einer Firma, die Dates organisiert.
„Wichtig ist, dass sie zu einander passen “, sagte die Mitarbeiterin der Firma.
Für 5 Euro könnte ich die Telefonnummer einer Tagesmutter bekommen, es war aber offen, ob sie auch freie Kapazitäten hätte. Ich wählte ein paar deutsche Tagesmütter.
So gingen wir zu Helga P., eine Tagesmutter, die in der Nähe lebte. Eine energische ältere Frau öffnete die Tür. Sie brachte uns in eine 10 Quadratmeter Kinderzimmer. Ich sah verschiedene Spiele und Spielzeuge, die mehr für ältere Kindern bestimmt waren.
„Die letzten Jahren war ich mit meinen eigenen Enkel beschäftigt. Nun sind sie groß“, erklärte die Frau. Sie sagte dazu, dass sie nur ein Tageskind nehmen wird. Das heißt, mein Kind wird nicht mit anderen Kindern spielen können. Ein großer Minuspunkt.
Danach sprachen wir über die Bezahlung. Helga gab mir einen Vertrag und erklärte mir, dass ich für sie ein richtiger Arbeitsgeber werde. Deshalb muss ich außer den üblichen Stunden Urlaube und alle Festtage bezahlen. Auch wenn mein Kind krank ist und zu Hause bleibt, muss das Geld trotzdem bezahlt werden. Klar, dass es bei den Kleinkindern immer wieder vorkommt. Eltern müssen auch für alle Stunden von Anfang an bezahlen, obwohl das Kind in den ersten Wochen nur eine Stunde oder zwei Stunden bei der Tagesmutter bleibt. Echt teuer!
Nur ein Trost: Das Jugendamt übernimmt ein Teil der Kosten. Eine Voraussetzung ist die Arbeitsbeschäftigung beider Eltern. Diese müssen einen Antrag beim Jugendamt stellen. Die Eltern müssen über ein regelmäßiges Einkommen verfügen. Für diejenigen, die nicht regelmäßig arbeiten, wird es schwierig irgendwelchen Zuschuss zu bekommen.
Nach dem ich Helga besucht hatte, dachte ich nach, ob es überhaupt sinnvoll für mich ist andere Tagesmütter zu besuchen. Aus Neugier entschied ich mich doch andere Tagesmütter zu besuchen. Claudia K. Und Birgit N. waren Tagesmütter mit Erfahrung. Die beiden noch jüngeren Frauen beeindruckten mich sehr. Sie baten eine ganztägige Betreuung der Kinder an, außerdem in einer Gruppe von Gleichaltrigen. Die Krippe war in einem gemütlichen Fachwerkhaus untergebracht. Hier gab es alles: Spielräume, Schlafzimmer, Spielplatz.
Gut, aber teuer!
In der Gruppe gab es 10 Kinder, zwei von ihnen erreichten nun die 3 Jahresgrenzen und nun kam die Zeit des Abschieds nehmen. Deshalb hatten wir einfach Glück gehabt. Ich beobachtete die beiden Tagesmütter mit großem Interesse. Die Kinder wirkten gepflegt und glücklich.
Alles hat mir gefallen, außer dem Preis- 800 Euro pro Monat. Nur wenige Familien können sich das langfristig leisten. Deshalb nahm ich nicht den vielseitigen Vertrag, den mir Claudia und Birgit anboten. Wozu?!
Wir bekamen einen Platz!!!
So blieb für uns nur die Hoffnung- Kinderkrippe. Es kam Mai- der Monat, in welchem man die Antworten der Kindergärten bekommt. Unser Sohn ist mittlerweile ein Jahr und drei Monate alt. In September wird er 1,6Jahre alt.
Zuerst kam eine Absage vom katholischen Kindergarten, dann erhielten wir einer Einladung vom Walddorfkindergarten, noch später- eine Zusage von einem städtischen Kindergarten. Zwei Kindergärten schickten uns überhaupt keine Nachricht.
Wir besuchten den Walddorfkindergarten und er hat uns gefallen. Wir merkten aber, dass hier viel mehr, als sonst, von den Eltern verlangt wird. Die Eltern müssen Mitglieder des Walddorfkindergartenvereins werden. Außerdem sollten sie regelmäßig etwas für den Kindergarten tun. Der Walddorfkindergarten ist etwas teurer als ein städtischer Kindergarten, aber er ist deutlich günstiger als Tagesmütter. Übrigens, ein städtischer Kindergarten kostet auch was. In der Regel entscheidet jede Stadt selbst über die Höhe des Preises. In Oberursel bezahlt man zurzeit 280 Euro im Monat plus dem sogenannten „ Essensgeld“ in der Höhe von 50 Euro. Ab August 2013 wird der Beitrag noch höher- 318 Euro.
Wir entschieden uns für einen städtischen Kindergarten, weil er uns besser gefallen hat.
Der Kindergarten hieß „Waldkindergarten“ und lag direkt am Waldrand. Die Kinder verbrachten viel Zeit in dem Wald, das fand ich klasse.
Im Wald als zu Hause/
Das Berliner Modell
In September kamen wir mit dem Kind in der Krippengruppe. In den ersten Tagen nahmen wir aber kein Abschied mit dem Kleinen: er spielte in der Gruppe, wir waren in der Nähe.
Viele deutsche Kindergärten arbeiten nach dem „Berliner Modell“: die Kinder gewöhnen sich sehr langsam an den Kindergarten. Bis zum Ende der Woche blieb das Kind eine Stunde allein in der Gruppe. Nach zwei Wochen blieb der Junge vormittags im Kindergarten. Erst nach 6 Wochen Eingewöhnungszeit blieb das Kind bis 14 Uhr in der Gruppe. Nach den Wörtern der Erzieherinnen lief alles bei meinem Kind reibungslos ab. Bei anderen Kindern kann die Eingewöhnung bis zu 8 Wochen dauern. Das heißt, jemand muss die ganze Zeit bei dem Kind sein. Dabei ist eine Voraussetzung für einen KITA-Platz die Arbeitsbeschäftigung der Eltern. Man sollte Bescheinigungen vom Arbeitsgeber schon bei Platzzusage vorbringen.
Unser Alltag
Acht Monate sind vergangen. Nun gewöhnt sich unser Sohn in die Krippe zu gehen. Er nimmt sogar selbst sein Rucksack mit dem Frühstück mit und macht sich auf den Weg. Aber es gibt auch Tage, wenn er keine Lust auf den Kindergarten hat. Die Erzieherinnen sagen, dass es ganz normal für das Kind ist. Im Alter von zwei bis drei Jahren gibt es bei vielen Kindern sogenannte „Trotzphase“: die Kinder versuchen ihren Willen durchzusetzen.
Der Junge liebt und hört seinen Erzieherinnen zu. Er spielt gern allein und mit den anderen Kindern, mag im Wald spazieren zu gehen. In seine Gruppe arbeiten zwei Erzieherinnen und eine Praktikantin. In der Gruppe sind zwölf Kindern, aber oft ist jemand wegen Krankheit nicht da. Im Winter gab es Tage, an denen viele Kindern fehlten. Die kleinen Kinder haben leider eine schwache Immunität. Husten, Schnupfen, Fieber sind sehr häufig. Auch unser Sohn war schon 6mal krank. Je älter das Kind wird, desto besser wird die Lage. Man sollte einfach geduldig sein.
Ich finde trotzdem, dass die Kinderkrippe eine gute Hilfe für Eltern ist. Früher oder später muss das Kind in eine Kindereinrichtung gehen.
Lina Zasepskaya, Oberursel.
Fotos von Autor.