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Die geheime Magie der Kunst

Die Malerin Tatjana Kulakovskaya ist in Russland und Deutschland nicht nur durch ihre Malereiwerke bekannt, viele von welchen sich in Ausstellungsälen und Privatkollektionen befinden, sondern auch als die Gründerin der ersten zweisprachigen Kunstschule für Kinder und Erwachsene in Hannover. Dabei haben viele ihrer Schüler, wenn auch nicht ihren Lehrer überragt, sondern zumindest ihren einzigartigen Weg in der Kunst gefunden.

 

 

 

V.S.: – Erzählen Sie bitte, wie Ihre Schule gegründet wurde.

 

Tatjana Kulakovskaya: – Die Kunstschule „Lotus“ entstand etwa vor zehn Jahren. Damals unterrichtete ich an verschiedenen deutschen Schulen für Erwachsene und auf der Basis dieser Erfahrung entstand die Unzufriedenheit mit dem hiesigen Unterrichtssystem, denn eine systematische Kunstausbildung gibt es hier einfach nicht. Außerdem, gefiel mir auch im Prinzip der Ansatz des Unterrichts nicht – vergnüglich und ausschließlich zum Zeitvertreib. Als Ergebnis blieb die Kunstausbildung selbst irgendwo auf dem Weg liegen. Und da ich darin eine Notwendigkeit sah – denn es gibt viele begabte russischsprachige Schüler, die es nicht geschafft habe sich im vollen Maße auf den ihnen fremden Deutsch zu verwirklichen – entstand eine feste Überzeugung in der Notwendigkeit einer kardinalen Entscheidung des Problems. Als Ergebnis dafür kam ich auf die Idee eine eigene Schule mit einem originellen Unterrichtssystem, das ich für richtig halte, zu gründen. Ich vereinte die Erfahrungen, die ich erlangte, als ich in Russland studierte (Gott sei Dank, dass ich dort studiert habe!..) und auch die hiesigen Erfahrungen, und habe das alles optimiert. Denn sowohl die Erwachsenen, als auch die Kinder, die hier leben, haben eine ziemlich andere Mentalität, als die Einwohner Russlands. Man muss sagen, dass ich mich selber umstellen und an diese Bedingungen anpassen musste, was, wie die Geschichte der Schule zeigt, im Prinzip geklappt hat.

 

Ihre Bilder – sie ziehen an, ziehen in ihren Bann – ist das irgendein Zauber oder eine hohe Form der Kunst?

Zuerst muss man die Frage beantworten, was denn Zauberei ist. Es existiert z.B. im Zirkus die Kunst Tricks durchzuführen – eine Sammlung von Tricks, mit Hilfe welcher z.B. der Magier eine für den Zuschauer schwer nachvollziehbare Aktion durchführt. Ja, ich habe eine bestimmte Sammlung eigener „Tricks“, und wenn ich meine Bilder meinen Schülern zeige, empfinden sie diese als eine Art Zauber. Aber in Wirklichkeit ist das Kunst, die das Ergebnis einer mühsamen Arbeit darstellt. Intensive und langjährige Arbeit, durch welche man sozusagen das Material „entdeckt“ mit dem man arbeitet. Denn entscheidend ist, dass man eine Art neue Technik erfindet, die einem nicht beigebracht wurde. Als Ergebnis entstehen neue Seiten, unerwartete Aspekte der Selbstdarstellung. Man kann von einer Art Magie der Kunst sprechen, wenn irgendwelche höheren Mächte für die Entscheidung der künstlerischen Aufgaben mit einbezogen werden. Mein Kollege Nikolai Estis, als er einst im Russischen Haus der Maler arbeitete, erschuf in einer kurzen Zeit eine unglaubliche Menge an pittoresken Arbeiten, und als er gefragt wurde, ob er alleine arbeitete, antwortete er darauf positiv. Natürlich meinte er eine Art Mitarbeit der höheren Harmonie in der Kunst. Und man muss sagen, dass im Prinzip keine Kunst ohne die Mitarbeit der höheren Harmonie möglich ist. Ich sage oft gerne: „Wer nicht erschafft, der macht nichts…“ Denn die Kunst – das ist eine Art geheimer Prozess, der eine sichtbare und eine unsichtbare Seite hat, und dem Menschen ist es nicht gegeben diese beiden Seiten zu sehen. Wahrscheinlich, zum Glück für ihn. Wenn der Meister erschafft, dann, meiner Meinung nach, erschafft durch ihn etwas Höheres, eine überweltliche Harmonie, in einigen Kulturen wird es auf keine Art beschrieben – etwas Unsichtbares und Unverständliches. Und wenn nach einiger Zeit man seine Arbeit anguckt, dann versteht man, wie man es gemacht hat. Und dann erkennt man, dass durch dieses Werk mit dem Menschen etwas Höheres spricht und ihn somit dazu veranlasst die gemachte Arbeit als eine Art geistliche Botschaft anzusehen.

 

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Wie nehmen Sie die Schüler auf? Kann man jedem etwas beibringen oder ist das Talent ein bestimmender Faktor?

Etwas beibringen kann man praktisch jedem, sogar mit ernsthaften physischen Problemen. Für mich, einen Pädagogen, ist das sogar ein Anlass für meine eigene Entwicklung und für die Suche nach neuen Methoden. Z.B. gab es einen Fall, als mir ein sechs Jahre altes Kind gebracht wurde und mir gesagt wurde, dass es in eine Schule für geistig zurück gebliebene Kinder geschickt wird, da es kein Strichmännchen zeichnen kann. Und da ich viele pädagogische Erfahrungen mit Kindern habe, habe ich gesehen, dass das Kind absolut normal ist. Das sind „aufgeweckte“ Augen, absolut normale Sprache. Es gibt noch viele andere Anzeichen, nach welchen man, sagen wir – die Angebrachtheit des Kindes beurteilt werden kann: seine Entwicklungsstufe, sein intellektuelles Potential usw. Wenn ich sehe, dass das Kind in seiner Entwicklung seinem Alter absolut entspricht, aber dabei kein Strichmännchen zeichnen kann, dann weiß ich, dass das eine Art Rätsel ist, die in den Strukturen des Gehirns versteckt ist. Und dann erarbeite ich eine neue Methode, indem ich mich auf meine Erfahrungen stütze, die dann funktioniert. Aber in ihrer Mehrheit sind meine Schüler Kinder, die einfach gerne malen möchten. Wenn mich Eltern anrufen und sagen, dass sie nicht im Stande sind zu verstehen, ob das Kind Talent hat, dann sage ich, dass mich mehr interessiert, ob das Kind zu Hause viel malt. Wenn ja, dann bedeutet das, dass es das Bedürfnis zu malen hat und unbedingt in die Schule aufgenommen werden sollte. Und vorwiegend ist für ihn die Selbstdarstellung genau mit Hilfe des Malens, und nicht, z.B. der Sprache. Und wenn die Kinder zu mir etwas später kommen, z.B. mit 12 Jahren, dann kommen sie schon mit Problemen, die als Ergebnis des Fehlens der Möglichkeit der Selbstdarstellung aufgetaucht sind. Und wenn diese „Problemkinder“ bei mir zu lernen anfangen und anfangen auf ihrer eigenen Sprache zu sprechen, dann kann man sehen, wie das Kind sich ändert: die Gesichtsmuskeln entspannen sich, die Anspannung verschwindet. Mit der Zeit wird das für die Eltern sichtbar, die sagen, dass das Kind ruhiger wird, freundlicher, positiv in der Schule auffällt. Es gibt natürlich auch einen relativ kleinen Prozentanteil sehr begabter Kinder. Für mich ist aber das wichtigste Kriterium das Kinderbedürfnis zu malen und sich auf die Weise selbst auszudrücken.

 

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Erzählen Sie bitte über die Ausstellung Ihrer Schüler in Wunstorf. Wer hat da teilgenommen und welche Arbeiten wurden ausgestellt?

Alles fing mit meinem Kurs in der VHS Wunstorf an, wodurch sich eine kleine Gruppe junger Maler bildete. Trotz meines Umzugs nach Hannover, verließ ich diese vielversprechende Gruppe nicht, denn ich wollte mich einfach nicht von ihnen trennen. Das waren Menschen verschiedener Berufe und Altersstufen. Ich finde es sehr wichtig, dass der Maler in seiner Kunst die Individualität behält, was die wertvollste Eigenschaft ist. Bildlich gesprochen, strebte ich danach dieser Gruppe von Malern die unterschiedlichen „Dialekte“ der Malerei zu demonstrieren, verschiedene Ansätze und Methoden, damit sie das alles für ihre Selbstdarstellung verwenden und somit ihren eigenen Stil ertasten konnten. Und mit der Zeit hat sich dieser tatsächlich bei jedem von ihnen gebildet. Sie arbeiten erfolgreich und verwundern mich sogar manchmal mit unerwarteter Neuheit. Dabei sind sie oft selbst davon überrascht, was sie erschaffen haben. Und wir erfreuen uns ehrlich daran.

 

 Und beschäftigt sich einer von ihnen professionell mit der Malerei?

Sie haben Bestellungen, ihre Arbeiten werden verkauft. Aber was bedeutet „professionell“? Das bedeutet, dass der Maler vom Verkauf seiner Bilder leben kann. Ich kann sagen, dass ich keinen modernen Maler kenne, der nur durch den Verkauf seiner Bilder leben kann. Denn Bilder malen ist ein Sache, aber erfolgreichen Verkauf organisieren – das ist eine komplett andere Geschichte.

 

Tatjana, es gibt ja noch eine Seite bei ihrer Arbeit. Sie bereiten die Schüler fürs Studium vor.

Ja, so ist es. Ich bereite Abiturienten für das Studium vor, das mit Malerei verbunden ist. Das sind Spezialisierungen, wie Grafikdesign, Architektur, Innenarchitektur, Kostümdesign für Theater und Film, Illustratoren, Kunstlehrer an Gesamtschulen, Produktdesigner usw. Ehemalige meine Schüler führen ihre Ausbildung in unterschiedlichen deutschen Universitäten oder auch im Ausland fort.

 

Was steht an erster Stelle im Kunstunterricht?

Meine Hauptaufgabe – die Technik vermitteln, denn, wie ich schon sagte, lehre ich die Sprache der Kunst. Und vor allem, wie auch in der Literatur, muss man das Alphabet lernen, die Grammatik, die Rechtschreibung, und erst dann geht es mit den Einzelheiten los. Im Laufe vieler Jahre haben sich bestimmte Fertigkeiten gebildet: ich versuche den Unterricht vielseitig zu gestalten – ein Block ist auf die Technik ausgerichtet, der andere – für die Entwicklung der Fantasie, was auch sehr wichtig ist. Denn man kann im technischen Labyrinth hängen bleiben, aber dabei die Freiheit der Wahl verlieren. Übrigens, ein gutes Beispiel für mich als Pädagogin, war der Besuch der Kunstakademie in St. Petersburg. Ich sah in einigen Arbeiten der Schüler eines Meisters der heutigen Zeit nur Minikopien seiner selbst. Das geschah vor 15 Jahren und damals sagte ich zu mir selbst: „Wenn ich jemals unterrichten werde, dann werde ich das Können niemals über die Individualität stellen. Der Lehrer darf auf keinen Fall die Persönlichkeit des Schülers unterdrücken, unabhängig davon, ob es um ein Kind oder um einen Erwachsenen geht. Denn das wertvollste in der Kunst – das ist die Einzigartigkeit und die Individualität. Diese beiden Aspekte sind für mich die wichtigsten.

 

Danke für das interessante und lehrreiche Gespräch.

 

Es sprach Vitalij Shnayder.

Foto von Alisa Shnayder.

Aus dem Russischen von Yevgeniya Marmer.

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Über Vitalij Shnayder (Hannover)

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