Um genauer zu sein – nicht nur bei einer. Und, um ganz genau sein, nicht nur (und nicht wirklich!) bei ihnen. Denn so eine Menge verschiedener „Personifizierungen“ dieser ehrenwerten „Dame“, wie in Goslar, hat der Autor dieser Zeilen sonst nirgendwo gesehen.
Obwohl, dem Glauben unserer fernen Vorfahren zufolge, lebten diese „bösen Mächte“ traditionell an Orten, an denen es etwas zu ergattern gab. Deswegen konnte die Silbermine Rammelsberg – die einzige auf der Welt, die mehr als 1000 Jahre aktiv war, die sich in der Nähe der Stadt befindet, durchaus die Aufmerksamkeit erregen. Fügen Sie dem Kupfer, Blei, Schwefel, ein wenig Gold bei…
Also, hat Heinrich I., der in 922 die Siedlung neben dem Berg Rammelsberg gründete, alles richtig gemacht. Und mit dem Beginn des Gewinns der Kohle und des Kupfers in diesen Örtlichkeiten, fing auch die starke Entwicklung Goslars an, dessen Zentrum unter Heinrich II. das königliche Mittelalterschloss wurde.
Hier blieben oft viele deutsche Imperatoren, oft wurden Versammlungen abgehalten.
Unter Rudolf I. wurde Goslar zur Freistadt ernannt und war Teil der Hanse. Und Mitte des 14. Jahrhunderts wurde das berühmte Goslarer Stadtrecht kodifiziert, das später von vielen deutschen Städten angenommen wurde.
Aber das Leben der Städte, wie auch eines jeden Menschen, kennt nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen. Der Verlust der Minen und Wälder, die nach dem Vertrag von 1552 in den Besitz von Herzog d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel übergegangen waren, der Plünderung der Stadt durch die Schweden während des Dreißigjährigen Kriegs und die schlechte Verwaltung entzogen Goslar ihren früheren Status.
In 1802 ging die Stadt an Preußen über, wonach er dann an Westfalen abgetreten wurde, und ab 1816 – an Hannover.
Heute wohnen in Goslar etwas mehr als 40.000 Menschen, obwohl, wenn man durch die Straßen spazieren geht, bekommt man diesen Eindruck nicht. Jedoch, die aus Hannover in diese Richtung fahrenden S-Bahnen sind nur sehr selten halbleer. Unabhängig vom Wetter hinter dem Fenster oder der Jahreszeit.
Goslar besitzt, wenn Sie so wollen, eine Art besonderes Charisma, das einen dazu zwingt immer wieder dahin zu fahren.
Hierher kommen und langsam durch die engen schmalen windigen Gassen spazieren, die mit jahrhundertealten Steinen gepflastert sind. Die frische und würzige Bergluft einatmen. Und buchstäblich mit der Haut die jahrhundertelange Geschichte dieser Örtlichkeiten fühlen.
Goslar, dessen Anfänge auf das 3. Jahrhundert n. Chr. zurückgehen ist der Pilgerort vieler Touristen aus unterschiedlichsten Ecken unserer Welt.
Wer kann widersprechen, dass die historischen Zentren vieler deutscher (und nicht nur) Städte auch einen großen historischen und kulturellen Wert aufweisen. Und dort gibt es einiges, was es sich anzuschauen lohnt. Aber in allen diesen Hauptsitzen ehemaliger Fürstentümer, Königreiche und Herzogtümer ist die Architektur doch ein wenig unterschiedlich. Wenn man genau hinguckt. Obwohl viele Ausländer keinen Unterschied zwischen den alten Straßen Hamburgs und z.B. Maastrichts sehen.
Goslar ist in diesem Sinne einzigartig und unverwechselbar. Hier haben sich die schönsten Berglandschaften und die Kunst der längst vergangenen Baumeister vereinigt. Hier kann man keine zwei absolut gleichen Häuser und schlampig gekleideten Einwohner sehen. Hier lebte Goethe, und arbeitete viele Jahre Heine. Hier stehen Denkmäler zu Ehren von Friedrich Barbarossa, Wilhelm des Großen und Bismarck, Stein- und Bergbaumuseen. Hier wird leckeres Bier gebraut und Touristen werden in offenen Kutschen spazieren gefahren, die mit einem Paar gleichmütiger Pferde eingespannt sind.
Offiziell ist Goslar ein Kurort, aber viele wohlhabende Deutsche machen hier gerne Urlaub. Obwohl, auch unter den Stadtbewohnern kann man leicht Menschen treffen, die, milde ausgedrückt, nicht arm sind.
Und man kann sie verstehen. Einige große Industriezentren befinden sich 50 bis 100 Kilometer von Goslar entfernt. Dort herrscht Hektik und fast tagtäglicher Stress, und hier ist es still und ruhig. Gemütlich und gut für die Gesundheit. Sogar die vielzähligen Touristen stören praktisch gar nicht, denn meistens spazieren sie mit verwundert herunterhängender Kinnlade und hören nicht auf die Auslöser ihrer Fotokameras zu drücken.
Mit einem Wort, Goslar – das ist das echte Deutschland. Über welches wir einst in historischen Romanen oder in den Märchen der Gebrüder Grimm lasen. Das Deutschland, von welchem es jeden Tag weniger und weniger gibt.
Also, wenn Sie Zeit haben, verbringen Sie wenigstens einen Tag in Goslar. Aus Hannover, Braunschweig, Magdeburg und noch einigen Städten kann man dahin mit der S-Bahn gelangen. Sie werden es nicht bereuen, Ehrenwort!
Nicht um sonst steht diese Stadt auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes und belegt dort einen der ehrenhaftesten Plätze. Denn so eine Menge durchaus ansehnlich erhaltener Fachwerkhäuser kann man sonst nirgendwo in Deutschland finden. Und nicht nur in Deutschland. Und das Altertum kann man hier buchstäblich mit der Hand berühren. So oft Sie wollen.
Und probieren Sie auf jeden Fall das örtliche Bier. Ob dunkel oder hell. Ja, heutzutage ist es nicht so beliebt in Deutschland (die Auswahl ist ja sehr groß), aber zusammen mit Rehfleisch oder geräucherten Rippchen geht es wunderbar. Und ohne alles – auch!
Goslar ist eine der Städte, wenn man ein Mal dort war, will man immer wieder zurückkehren. Wahrscheinlich, wenn man dort geboren wird und sein Leben lang lebt, dann ist das Gefühl anders. Aber so…
Also, wenn es noch ein bisschen wärmer wird, dann suche ich einen freien Tag aus – und rein in den Zug. Eine Stunde Fahrt – und wieder spüre ich unter meinen Füßen die jahrhundertealten Pflastersteine, atme die frische Bergluft des Harzes ein, bewundere die mich umringenden Kunstwerke der längst vergangenen Generationen. Und wieder, ohne Pause, drücke ich auf den Auslöser der Fotokamera: denn bei jedem neuen Besuch dieser Stadt entdecke ich für mich etwas Neues.
Boris Kunin. Foto des Autors.
Aus dem Russischen von Yevgeniya Marmer