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Integrationszentrum Mi&V e.V. – Mitarbeit und Verständigung

Sonntagsvater für Mascha

„In den letzten Jahrzehnten hat sich der Begriff Familie stark geändert. Alleinerziehende Eltern sind heutzutage eine absolut normale Erscheinung unserer Gesellschaft“.

(Aus einer Rede eines Beamten des Statistischen Bundesamtes.)

In die Emigration, hinter dem „blauen Vogel“[1]?

 

Komfortable Lebensbedingungen, qualitative medizinische Versorgung, gute Straßen, etc. – das sind ernsthafte, aber nicht immer ausschlaggebende Argumente. Auswandernde Eltern stellen die Kinder oft mit guten Absichten und Zielen vor den plötzlichen Fakt der Familientragödie der Scheidung.

Wenn die Menschen auswandern, sind sie stets bestrebt das mit ihren Partner zu tun, denn die Familie wird in der fremden kulturellen und sprachlichen Umgebung zu einem psychologischen, alltäglichen, moralischen Trauma, und die Anzahl der Scheidungen in

Leider fehlen die Statistiken über die allgemeine Anzahl der Scheidungen unter den ehemaligen sowjetischen Bürgern in Deutschland, denn die Menschen, die mit dem Status der „Spätaussiedler“ auswandern, erhalten in der Regel sofort die deutsche Staatsbürgerschaft und fallen somit sofort in die allgemeine Statistik der deutschen Bevölkerung. Andere Fälle aus anderen Richtungen der postsowjetischen Emigration werden gar nicht berücksichtigt. Trotzdem ist die Anzahl der Scheidungen in Auswandererfamilien ziemlich hoch. Darüber und über vieles andere weiter unten.

Im Ausland: Eltern, Kinder…

„Alleinerziehende Mutter“ – diese Wortfügung kennt jeder. Was man nicht über „alleinerziehende Väter“ oder „Sonntagsväter“ in der Emigration sagen kann.

Zur Entscheidung der Notwendigkeit der Auflösung der Ehe kommen die Eheleute im dritten oder vierten Jahr in der Emigration. Es gibt solche Beobachtungen der inoffiziellen Statistik.

Das ist charakteristisch für viele Gruppen ehemaliger sowjetischer Bürger (deutsche Aussiedler und jüdische Emigranten) und wird damit erklärt, dass nach drei Jahren des Lebens in einer fremden Gesellschaft, viele Auswanderer, nachdem sie die schwierigsten Phasen der Anpassung durchlebt haben, weniger auf die Unterstützung des Partners angewiesen sind.

Dabei nutzen die Ehepaare eine in Deutschland sehr verbreitete Form der „vereinbarten Scheidung“ – die Trennung. Die Eheleute wohnen dann offiziell getrennt, was vom Notar beglaubigt werden muss. Diese „Form der Scheidung“ ermöglicht getrennte Haushalte, getrennte Steuerzahlung, aber dabei eine Ehe de facto.

Wenn die Scheidung ein Drama für die ehemaligen Eheleute ist, dann ist das für Kinder eine doppelte Tragödie: die Vorscheidungs-, aber besonders die Nachscheidungsphase ist ein irreparabler Schaden für die Gesundheit des Kindes…Nach der Scheidung der Eltern empfinden drei- bis sechsjährige Kinder Schuld- und Selbsterniedrigungsgefühle, sieben- bis achtjährige – Kränkung und Wut, hauptsächlich auf den Vater, zehn- bis elfjährige – Kränkung von seitens beider Eltern. Mehr als ein Drittel der Kinder werden schlechter in der Schule, verletzen die Disziplin, einige fangen an mit allen in Konflikt zu treten, sogar mit Freunden, einige laufen von zu Hause weg…

Aus der Erfahrung der persönlichen Beobachtungen

Das „Bildungsgepäck“ und die mehrjährige pädagogische Erfahrung in Russland ließen mir keine Wahl bei der Emigration: in Deutschland habe ich erfolgreich Qualifizierungskurse für Vorschulpädagogen abgeschlossen und arbeite schon seit längerer Zeit mit russischsprachigen Kindern im Kulturzentrum. Und was beobachte ich? In fünf von fünfzehn Familien – eine unvollständige Familie. In diesen fünf werden die Kinder zum Unterricht von den alleinerziehenden Vätern gebracht, in zwei anderen – von alleinerziehenden Müttern. Alter: zwischen 25 und 35 Jahren. Jede Scheidung ist ihre eigene besondere Geschichte.

In unserer fernen Kindheit wurde die Scheidung eindeutig negativ interpretiert – wie eine Drohung für die Familie, aber heute wird die Möglichkeit der Auflösung der Ehe als eine inhärente Komponente des Familiensystems angesehen, notwendig für die Reorganisation der Familie in den Fällen, wo die Aufrechterhaltung der Familie im vorherigen Zustand sich als unmöglich herausstellt. Optimistische Tragödie?..

Aber was auch immer heute über die Mehrdeutigkeit dieser Erscheinung gesagt wird, das Ergebnis ist immer gleich traurig und dramatisch. Am meisten für das Kind.

Eine 45-minütige Unterrichtsstunde ohne einen Erwachsenen auszuhalten ist für solche Kinder immer problematisch: sie haben Angst, dass sie hier gelassen (verlassen!) werden können, deswegen sind sie die ganze Zeit angespannt und bitten ab und zu, dass ihnen gezeigt wird, dass ihr Elternteil hinter der Tür auf sie wartet. So ein Kind ist nur darauf zutiefst konzentriert und nicht im Stande am Unterrichtsprozess teilzunehmen. Es ist nervös und müde vom ständigen Gefühl der Angst. Es bekommt ein Gefühl der Unsicherheit, der Unruhe und Angst, es denkt, dass die Familie wegen ihm zerfallen ist, es glaubt, dass es nicht mehr gebraucht wird und die Eltern ihn einfach verlassen wollen, ihn vergessen wollen. So ein Kind ist in der Regel sehr verschlossen. Und hat einen Minderwertigkeitskomplex: die nächsten und liebsten Menschen haben einen VERRATEN! Das heißt, dass man keinem glauben darf! Die Kinder haben Angst, dass das andere Elternteil sie auch nicht mehr braucht, deswegen versuchen sie mit allen Mitteln die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Ich beobachte, dass Kinder aus unvollständigen Familien zu Manipulationsobjekten der Eltern bei der Entscheidung ihrer Konflikte werden. Hier wird das Kind zum „Randobjekt“. Das Kind wird geteilt und zwar – eingespannt in die eigenen Interessen und den Interessen des anderen gegenüber gestellt. Ich war Zeugin, als ein Vater seine negative Haltung gegenüber der Mutter des Kindes offen gezeigt hat und somit das Kind gegen sie aufgehetzt hat. Für das Kind ist das schlecht, denn es braucht ein Gefühl der Geborgenheit, die es (das Kind) von der Mutter erwartet. Ich habe den Mann delikat angehalten, ihm zu verstehen gegeben, dass das aus allen möglichen Gründen verboten ist, aber ich werde nicht immer erhört. Leider!

Über die Regeln der Familienpsychotherapie

Ich hoffe, dass den geschiedenen Paaren, die daran interessiert sind die psychische Gesundheit ihres Kindes zu erhalten, die unten aufgeführten Regeln, die von einem Psychologen zusammengefasst wurden, einen fühlbaren Nutzen bringen werden:

1.      Ein Scheidungskind braucht mehr Zeit und Aufmerksamkeit. Die Kinder müssen sicher sein, dass sowohl Papa, als auch Mama sie lieben. Dabei ist eine regelmäßige (und nicht „manchmal am Wochenende“) Kommunikation mit beiden Elternteilen wünschenswert.

2.      Den Umgang der Kinder mit dem anderen Ex-Ehepartner und seiner/ihrer neuen Familie zu fördern ist nicht einfach, aber die Wünsche des Kindes zu ignorieren darf man nicht. Und der Papa oder die Mama, die das Kind besucht, muss seine schwache Psyche schonen und sich so verhalten, dass das Kind keine Eifersucht gegenüber seiner neuen Familie empfindet. Denn auch der Fakt, dass Papa plötzlich nicht mehr Mama, sondern die Tante Mascha liebt, kann für das Kind schwieriger sein, als für die Mutter selbst.

3.      Wenn es möglich ist, dann eilen Sie nicht umzuziehen, den Garten zu verkaufen und in eine andere Stadt zu ziehen. Für die von der Scheidung traumatisierte Kinderpsyche ist es besser, wenn so viel wie möglich „aus der Vergangenheit“ bleibt: die gleiche Schule, die gleichen alten Freunde und Bekannten, die gleichen Besuche bei den Großeltern.

4.      Versuchen Sie dem Kind seine alten Hobbys zu bewahren, z.B. auch sein Haustier zu behalten. Das wird nicht nur ein Gefühl der Stabilität erwecken, sondern lässt auch weniger Raum für schwere Gedanken und negative Emotionen.

5.      Seine erwachsenen Emotionen über die schwache Kinderpsyche zu schütten darf man auf keinen Fall. Auch wenn Sie zu Ihrem Ex-Partner nichts außer Geringschätzung empfinden, soll man das nicht offen vor dem Kind zeigen. Denn es kann und muss beide Elternteile lieben. Man sollte den ehemaligen Partner nicht mittels des Kindes erpressen, um Alimente oder mehr regelmäßige Treffen mit dem Kind zu bekommen.

6.      Obwohl uns allen in der Kindheit beigebracht wurde nicht zu lügen, eilen Sie nicht ihrem Kind den wahren Grund für die Scheidung zu erklären. Diese „Lüge für die Rettung“ kann das Kind wirklich von einem neuen Trauma befreien und eine negative Haltung zu einem der Elternteile zu vermeiden. Denken Sie daran – alles zu seiner Zeit.

7.      Das Kind wird aus allen Kräften versuchen auf beide Eltern einzuwirken, sie zu versöhnen. Hören Sie auf ihn, verscheuchen Sie ihn nicht, – das Kinderherz ist so klein, und wir, Erwachsene, verstehen oft nicht, welchen Schmerz wir ihm zufügen. Lieben Sie Ihren Kleinen ganz, ganz doll, geben Sie ihm so viel Aufmerksamkeit, wie möglich und sagen Sie öfter, wie geliebt und unersetzbar er ist.

P.S. Banal ist es, aber für das Familienglück reichen soziale und physiologische (Geld und Bett) Beziehungen. Deswegen kann ich nicht den Menschen zustimmen, die sagen, dass das Leben in einem entwickelten Land eindeutig besser ist. Wenn es eine geistige Verbindung gibt (gemeinsame und nicht materielle Werte), dann ist das Kind komplett geborgen.

Und, vielleicht, ist es an der Zeit den Club der alleinerziehenden Väter zu gründen? Oder Mütter? Was denken Sie, sehr geehrter Leser?

 

© detailblick – Fotolia.com
Aus dem Russischen von Yevgeniya Marmer

 

 


[1] „Der blaue Vogel“ (Französisch: L’Oiseau bleu) ist ein Theaterstück von Maurice Maeterlinck von 1908. (aus Wikipedia)

русская православная церковь заграницей иконы божией матери курская коренная в ганновере

Über Daria Solnceva

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