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Yoga als Weg zur Selbsterkenntnis

Wie kann ein Wissenssystem, welches über Zehn Tausend Jahre alt ist dem modernen Menschen, der mit den Problemen und Werten der heutigen Zeit lebt, helfen, sich selbst zu finden?

Um diese nicht ganz einfache Frage zu beantworten, hat sich unser Reporter mit einer auf diesem Gebiet kompetenten Person getroffen – der Yogalehrerin Elena  Mikhailova, die heute in Hannover lebt. 

 

 

– Unser Reporter: Ich glaube, wir müssen bei der Quelle anfangen – was ist Yoga. Also, dem breiten Publikum ist bekannt, dass es eine sehr alte Lehre, eine Richtung oder eine Weltanschauung ist (oder eher alles zusammen) und aus dem Orient kommt, um genauer zu sein – aus Indien. Also, was ist eigentlich Yoga?

– Elena Mikhailova:  Yoga ist eine alte Lehre. Ich möchte jetzt keine speziellen Termini verwenden, die Yoga als ein System von philosophischen Wissen ansieht, das von der Menschheit über Jahrtausende angesammelt wurde, eine kosmogonisch bewährte Theorie und Praktik, die darauf abzielt den Körper, die Seele und das Wohlbefinden zu perfektionieren. Das wäre viel zu trocken. Man kann diese umfangreiche Frage viel einfacher beantworten. Wenn man von Yoga als System von irgendwelchen seelisch-physischen Trainingseinheiten spricht, ist hier alles mehr oder weniger klar. Aber wenn man von Yoga als von einem System philosophischer Werte spricht, die auf die innere Perfektionierung abzielen, dann ist das mit unserem „westlichen“ Verständnis, natürlich, viel schwieriger zu begreifen. Und, trotzdem, warum wird das System, das älter als zehn Tausend Jahre ist bis heute  benutzt? Die Antwort ist es sehr einfach – weil es funktioniert. Wenn dieses System nicht funktionieren würde, würde es keiner benutzen, vor allem nicht unser viel zu rationaler westlicher Verstand. Dieses Wissenssystem führt zu Resultaten und, Gott sei Dank, immer mehr und mehr Menschen auf unserem Planeten beschäftigen sich damit. 

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Und wie viele genau, können Sie das sagen?

– So eine Statistik hat nie jemand zusammengestellt. Aber es wird eine Interessenssteigerung beobachtet, vor allem in den westlichen Ländern. Sie haben richtig gesagt, diese Wissenschaft ist zu uns aus dem Osten gekommen, und hier liegt ein großer Teil der Wahrheit. Dort ging sie auf dem Weg zur Entwicklung der inneren Werte. Aber die alten indoarischen Wurzeln, welche das Yoga besitzt, verhelfen vor allem der Erlernung dessen durch „unsere“, wenn wir auch nur die Sprache nehmen, denn im Sanksrit und z.B. im Ukrainischen gibt es 600 Wörter, die gleiche Wurzeln haben. Das spricht von der Einigkeit unserer Kultur, der Einigkeit unserer Seele und unserer Erinnerung, und wird also nicht einfach so angewöhnt.
Elena Mikhailova  beim Workout

Wie sind Sie dazu gekommen Yoga zu erlernen?

– Ich spreche nicht gerne von mir. Bei Yoga ist es nicht angebracht „Ich“ zu sagen, wie auch nicht sein Ego zu präsentieren. In irgendeinem Moment ist das Verständnis aufgetaucht, dass das „Ich“ nicht nur ein Körper ist, sondern dass es auch einige Energiearten besitzt. Das ist etwas, was nicht in die allgemeine Theorie passt, dass das „Ich“ nur der Körper und der Verstand ist. Gewöhnliches Leben – das Heim, die Familie, die Arbeit – die haben aufgehört mich zufriedenzustellen, und die Seele begann eine Suche. Am Anfang bin ich in die Moskauer Yoga Akademie gegangen (das war vor vielen Jahren) , dann bin ich weiter gegangen und habe das Heidenbarder Yoga Institut in Indien beendet, wo ich eine siebenjährige Ausbildung abgeschlossen habe, und unterrichte schon seit 9 Jahren hier in Deutschland.

Sagen Sie, haben Sie viele Menschen in dieser Zeit in Deutschland unterrichtet? Und waren das nur Russischsprachige?

– Wir leben in einem Land, wo auf Deutsch gesprochen wird, deswegen unterrichte ich vor allem Gruppen, die aus Einheimischen bestehen. Aber, da ich Träger unserer Mentalität und Kultur bin, gibt es selbstverständlich eine Sprachbarriere in den Beziehungen mit deutschen Schülern. Ich habe sowohl „russischsprachige“, als auch gemischte Gruppen. Über die Menge der Schüler brauche ich nicht sprechen, weil das die wahre Qualität und den Sinn des Prozesses nicht wiederspiegelt.

Sind alle in der Lage Yoga zu machen oder braucht man bestimmte Eigenschaften? Wie bestimmen Sie, ob ein Mensch zu Yoga passt oder nehmen Sie alle Interessenten auf?

– Eine sehr gute Frage. Es ist einfach so, dass es sehr gefährlich ist mit „vom Verstand her“ anzufangen. Unser Verstand ist mit der Lebenserfahrung begrenzt, die in unserem Unterbewusstsein gespeichert ist. Deswegen gehe ich da anders ran: wenn der Mensch selbst einen Weg zur Selbsterkenntnis sucht und schon zu mir gekommen ist, dann gebe ich ihm die Möglichkeit das auszuprobieren. Und nach einigen Workouts, wenn er anfängt zu begreifen, ob er das überhaupt braucht, entscheidet er selbst, ob er weitermachen will oder nicht. Hier ist wichtig zu erwähnen, warum die Menschen überhaupt in die Gruppe kommen. In der Regel ist der Auslöser der Drang nach gesundem Lebensstil, der Wunsch irgendwelche Erfahrungen im Umgang mit dem Körper zu erlangen, die richtige Atmung. Eine meiner Gruppen heißt auch so – „Gesunder Lebensstil mit Elena Mikhailova“. Und nur später wird der Hintergrund oder der Plan dessen sichtbar, was hinter der normalen Arbeit mit dem Körper steht, und um genauer zu sein, mit seiner Haltung, und dann – die Atmungskontrolle und die Energiekontrolle, die damit verbunden sind. Der Sinn des Hatha-Yoga ist die richtige Kombination der Körperhaltung, der richtigen Atmung und der Aufmerksamkeitslenkung auf die einen oder anderen Körperteile.

Gibt es eine Teilung auf weibliche und männliche Gruppen bei Ihren Workouts?

– Da die Seele kein Geschlecht besitzt, gibt es auch keinen Unterschied, wer kommt – Frau oder Mann. Ich sehe einen Menschen ohne Betrachtung seines Geschlechts an, und wenn seine Seele an Selbsterkenntnis interessiert ist, dann kann man durch den Körper mit dem gleichen Erfolg sowohl mit Männern, als auch mit Frauen arbeiten. Aber in der Regel kommen Männer seltener und dafür gibt es objektive Gründe. Frauen sind mehr an Yoga interessiert und machen es auch gerne.

Elena Mikhailova

In welchem Alter sollte man mit Yoga anfangen?

– In Indien fängt man traditionell noch in der Kindheit an – die Gelenke und die Sehnen werden vorbereitet, mit speziellen Ölen eingeschmiert, außerdem ist das Klima dort warm. Aber für Personen aus einem nördlichen Land passen nicht alle Methoden und Techniken des traditionellen Yoga. Im Prinzip, kann man in jedem Alter anfangen, aber mit den Jahren wird die Arbeit mit dem Körper immer schwieriger und die Arbeit mit dem Bewusstsein findet umso intensiver statt, denn ein erwachsener Mensch hat eine bewusstere Einstellung zu seiner Gesundheit, zur Neubewertung einiger Ideale und innerer Werte.

Sagen Sie, was ist das Endziel des Workouts? Was muss der Mensch am Ende erreichen?

– Die Frage nach dem Ziel ist eine ziemlich relative Frage, würde ich sagen. Das Ziel wird durch das Leben und den Seelenzustand des Menschen bestimmt, der zum Workout kommt. D.h. jeder stellt sich selbst bestimmte Ziele und abhängig davon geht er in die eine oder andere Richtung. Yoga ist sehr vielfältig und bietet eine Menge an Techniken und Arbeitsmethoden mit dem Körper und dem Bewusstsein. Sagen wir so, jedes individuelle Bewusstsein ist fähig für sich den für den bestimmten Moment passendsten Weg zu wählen. Danach kreuzen sich die verschiedenen Wege – die Menschen versammeln sich in einer Gruppe, dann trennen sie sich wieder – das ist absolut normal. Hierin liegt die komplette Freiheit. Wenn man z.B. sagt, dass das Endziel des Yoga die Erleuchtung ist, dann wird das dem Leser nicht ganz klar. Bei Yoga existiert sowohl das Verständnis des individuellen Bewusstseins des Einzelnen, als auch das Verständnis des höheren und absoluten Anfangs, das in allen Religionen, als Gott bezeichnet wird. Mit anderen Worten, die maximale Annäherung der Seele zu dem göttlichen Bewusstsein ist dann das Endziel. Also kann man sagen, dass das Ziel des Yoga die Selbstperfektionierung ist, und für jeden Menschen ist das individuell.

Gab es Fälle, als die Schüler das Niveau des Lehrers erreicht haben, oder ist das unwahrscheinlich? Und gab es Fälle, als Ihre Schüler ihre Lehre in Indien fortgeführt haben, um der Quelle näher zu kommen?

Elena Mikhailova  beim Workout– Viele denken, dass man das Ziel nur in Indien erreichen kann, aber das ist nicht ganz wahr. Hier ist es wohl gerecht die alte christliche Formel anzuwenden „das Reich Gottes ist in uns“. Denn das ist der Zustand des vollen Glücks, der Zufriedenheit und der Ruhe. Und dafür muss man nicht ans Ende der Welt fahren, das kann man hier und jetzt entdecken. Dafür braucht man nur einen bestimmten Bewusstseinszustand, und dann fühlst du dich immer und überall zufrieden. In Bezug auf meinen Stand kann ich sagen, dass es im Yoga nicht angebracht ist mit seinen Errungenschaften anzugeben und es anderen zu zeigen. Ich möchte nur bemerkten, dass ich mit Dankbarkeit dem Schicksal gegenüber trete, das mir die Möglichkeit gegeben hat mit wahren, erleuchteten Yoga-Meistern zu kommunizieren, den s.g. Maha-Yogina – die größten Yoga-Meister, von denen es auf der Erde nur sehr wenige gibt. Mein Lehrer – Pailot Babadji, der in Indien lebt, reist oft durch die Welt und hilft seinen Schülern. Vor allem kümmert er sich besonders um seine russischen, ukrainischen und weißrussischen, also russischsprachigen Nachfolger, denn er glaubt, dass unsere gemeinsamen indoarischen Wurzeln uns zu einer schnelleren Bewusstseinsentwicklung verhelfen, also zu der eigenen Selbstidentifikation, wie zu einer Art Gotteseinheit.

Ich weiß, dass Sie Bücher schreiben – sowohl Yoga-Lehrbücher, als auch Gedichte. Was bedeutet für Sie diese Arbeit?

– Es gibt so einen weitverbreiteten Satz, dass im Moment in Deutschland alle schreiben, die nicht dafür zu faul sind, denn die Menschen haben viel Freizeit. Der wahre Grund für mein Schreiben liegt etwas tiefer. Durch das Dichten kann der Mensch sich selbst ausdrücken, seinen Zustand und seine Seele. Aber, wie Sie verstehen, ist das Endziel für mich nicht die Poesie, sondern das Ausdrücken innerer Zustände, die ich durch die poetischen Zeilen übermittle. Und wenn der Leser den Zustand des Seelenflugs fühlen kann, dann wird das Gedicht mit Sicherheit erhört. Und wenn das einfach nur eine Ansammlung von Reimen ist, dann bleibt das Gedicht als Skizze auf dem Papier. Außerdem, habe ich eine Menge an Yoga-Lehrbüchern für meine Schüler geschrieben, denn auf Russisch gibt es nur wenig zu dem Thema und das, was im Internet zu finden ist, ist nicht immer vertrauenswürdig. Dabei ist es wichtig, dass ich keine Schriftstellerambitionen habe – ich mache nur das, was ich meinen Schülern geben muss, um ihnen den Weg zur Selbsterkenntnis zu erleichtern.

Was würden Sie gerne unseren Lesern mitgeben?

– Traditionell wünscht man im Yoga „Om Shanti“, was man als „Frieden und Ruhe“ übersetzen kann.

Vielen Dank für das interessante Interview, viel Erfolg Ihnen!

 

Interviewer: Vitalij Shnayder

Foto von V.S. und E. Mikhailova

Aus dem Russischen von Yevgeniya Marmer


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Über Vitalij Shnayder

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