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Integrationszentrum Mi&V e.V. – Mitarbeit und Verständigung

Aber doch….

Seit meiner Immigration und meinem ersten deutschen Sprachkurs, sehnte ich mich danach, ´die von mir seit Kindheit geliebten deutschen Dichter auf Deutsch zu genießen. Leider ist mir das auch bis heute nicht gelungen. Die Qualität der Übersetzung in meiner Heimat war sehr hoch- und hatte eine lange Tradition- schon Puschkin und Lermontov übersetzten Heine und Goethe so, dass daraus eigenständige Gedichte entstanden, die jeder in Russland kennt. In Zeiten der UdSSR waren Kindergedichte und Übersetzungen für die von dem Regime verfolgten Dichter fast die einzige Möglichkeit zur Veröffentlichung und zum Überleben. Ich kannte deutsche Poesie, ins Russische übertragen von Meistern wie Boris Pasternak, Anna Achmatova, Marina Zvetaeva -um nur einige bekannte Namen zu nennen.

Kein Wunder, dass ich mit der Zeit zwar allmählich die Versen von Heine und Rilke auf Deutsch verstand, jedoch die einzelne Nuancen nicht nachvollziehen konnte, und sie daher nicht besonders reizvoll fand. Ich empfand sie quasi als nicht besonders gelungene Rückübersetzungen aus dem Russischen.

Bald hat mir das Leben selbst eine unvergessliche Phonetiklektion erteilt. Ich habe  einen Auftrag als Komponist und musikalischer Leiter des Theaterstücks „A-5 in der Luft!“ des russischen Dramatikers Alexander Shipenko bei der Berliner Volksbühne erhalten. Wie es so oft in solchen Fällen geschieht, ich, als in Rußland geborener , half bei der Inszenierung nicht nur musikalisch, sondern bei der Interpretation des Stückes. Eine Szene hat mich bei den Proben nicht überzeugen können. In der Nacht, bevor er schlafen geht, bekommt ein russischer Kriegsveteran Besuch von drei seiner toten Mitsoldaten. Aus heute nicht nachvollziehbaren Gründen, hat die Regisseurin entschieden, dass ich  einen von diesen Geister spielen werde. Da aber weder der Veteran noch seine „Kameraden“ etwas sagten, hätte das Publikum nicht erahnen können, wer diese Gestalten sind und was sie hier wollen. Deswegen schlug ich vor, dass der Veteran, an den Krieg erinnernd, vor dieser Vision ein Gedicht vom berühmten sowjetischen Dichter Tvardovskj rezitiert. Nach meinem besten Wissen und Gewissen habe ich das Gedicht übersetzt.

Ich weiß, es ist  nicht meine Schuld,
Dass Andere aus dem Krieg  nicht gekommen sind,
Dass sie, ob junger oder älter, -dort geblieben sind.
Und keiner sagt, dass ich sie nicht gerettet hab, obwohl ich das machen könnte
Ja, das ist wahr, und trotzdem, trotzdem, trotzdem……

Die Regisseurin war begeistert, die Szene wurde plötzlich ganz klar und ausdrucksstark. Aber unmittelbar vor der Vorstellung hat diese Frau meine Übersetzung verbessert. Statt „trotzdem“ sollte der Darsteller wiederholen: «aber doch, aber doch, aber doch ..» Nach diesen Worten mussten wir – drei Geister – auf die Bühne gehen. Ich konnte das nicht, da ich mich vom Lachen krümmte, denn diese Wiederholung erinnerte mich  an den Spruch, mit dem die Hexen in russischen Kindergeschichten zaubern:  „Troch-tibi doh toch toch“…

Gerade zu dieser Zeit, hat mich der Sänger -ein gebürtige  Italiener,  gebeten, ihn bei einem  Konzert am Klavier zu begleiten. Er konnte so schlecht Deutsch, dass er meinen Akzent nicht gehört  hat und bemerkte nicht; dass ich ein Ausländer bin. Als wir zu proben begannen, konnte ich meinen Ohren nicht glauben: dieser Italiener hatte vor, Schubert-Lieder in Deutschland auf Italienisch  zu singen! Ich habe ihn strikt davon abgeraten. Daraufhin begann der Sänger etwas Unverständliches in seinem erbärmlichen Deutsch zu schreien. Mit einiger Mühe verstand ich seine Botschaft: seiner Auffassung nach, durfte man alles nur auf  Italienisch singen, weil diese Sprache die musikalischste auf die Erde ist! Dabei sprach er „Canta-are! Vola-are!“ so überzeugend und schmackhaft aus…Danach spottete er wütend „Und dein Deutsch?“ und sang sarkastisch: „Üp! Üp! Üp!“ Und auf einmal fühlte ich mich beleidigt für die Sprache, in welche ich so viel Arbeit investiert habe, die Sprache von Schuhmann und Beethoven und auf der Fischer-Diskau gesungen hat  und begann,  von mir selber überrascht eine Melodie von Rachmaninov singen. Ich vertonte mit ihr zwei Worte, die mir gerade wieder in den Sinn gekommen waren:  “aber do-o-och, aber doch, aber doch … „. Verzaubert von der schönen Melodie,  sagte der Italiener nachdenklich: „Wie schön es klingt! Bedeutet „aber doch“ auf Deutsch  „Ich liebe dich!“

Sergej Kolmanovskj (Hannover)

 

 

 

русская православная церковь заграницей иконы божией матери курская коренная в ганновере

Über IF: Sergej Kolmanovskj (Hannover)

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