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Integrationszentrum Mi&V e.V. – Mitarbeit und Verständigung

Zum Meer und zurück

(Eine dokumentarische Detektivgeschichte)

Nach einer dreijährigen Abwesenheit ist Senja Babuschkin wieder in der Stadt seiner rosa Kindheit angekommen. Sein Wunsch, auf die bekannte seit der Kindheit, Pflastersteine anzutreten war so groß dass, nachdem er legte den Koffer in die Gepäckaufbewahrung des Bahnhofs ab, er überquerte fast im Laufschritt den Bahnhofsplatz und setzte sein Weg an der Puschkin-Straße zur Deribassovskaja-Straße fort.

  O, bekannte seit meiner Kindheit, Straßen und immer wieder von Dichtern gepriesenen Boulevarden von Odessa-Mama. Hallo, Herzog von Richelieu, hallo, die Stiege von Potemkin und der Hafen! Hallo, Schwarzes Meer!

 

  Nach einem Spaziergang durch die Straßen von Odessa bis in den Abend, hat Senja seinen alten Freunden angerufen, die ihn gleich zu sich nach Hause eingeladen haben. Das Treffen war freudig, bei Geschprächen  und dem Trinken (nicht so viel von Softdrinks, sondern  eher von Alkoholgetränken) verging unbemerkt die Nacht – die erste Nacht des Aufenthalts von Babuschkin in seiner Heimatstadt Odessa. Der Morgen war sonnig und ziemlich heiß. Die Freunde, die kaum nachts das Auge zugemacht haben, haben sich zur Arbeit begeben, und Semjon hinterließ sein Koffer in ihre Wohnung, wie er in vollem Wichs war, beeilte sich zum Strand. Babuschkin ging zum Langeron – so heißt ein berühmter Strand in Odessa, von dem er so oft nachts in den letzten Jahren geträumt hat. In seinen Händen hielt Babuschkin eine grelle Tüte mit Beschriftung „Montana“ , in der Tüte war Geld drin das Geld, einen Gedichtband mit der Autogramm, eine Brille in einem Leder-Etui, eine Handtasche aus Krokodilleder und Golduhren, die von seinem Vater geschenkt wurden. Nachdem er man durch einen nicht so dichten Wald, ging er an zum Sandstrand zu den langen Reihen von Holzliegen. Der Strand war ziemlich leer zu dieser früheren Morgenstunde.
Babuschkin setzte sich auf einer der Strandliegen, zog sich aus, blieb in Badehosen und begann langsam sein schick Anzug in die Tüte zu packen. Zu diesem Zeitpunkt setzte sich auf der Nachbarliege ein schlaksiger junger Mann in einem hellen Sommerhosen, aber ohne Hemd, in Flip-Flops an den bloßen Füßen, in seinen Händen hielt er einem schwarzen Kunststoffbeutel, die auf Privos von Zigeuner verkauft werden. Der junge Mann werfte unordentlich seinen schwarzen Beutel auf die Strandliege neben ihm. Semjon bemerkte, dass er absolut ungebräunt war. Seine Augen bewegten sich nervös hin und her, aber er schien ja keine Aufmerksamkeit dem Semjon zu schenken. Er streckte seinen langen Hals und schaute ununterbrochen zum Meer.
Das hatte Babuschkin beruhigt, in dessen Seele vagen Zweifel eingeschlichen haben. Er beendete seine Sachen in die Tüte zu packen, zog seine Schuhe aus, setzte seine Socken in Schuhe drin und stürzte sich ins Meer. Er tauchte sich in ein dunkel-grüne, wie ein Smaragd, salzigen Meerwasser, hatte sich Semjon in kurzen Bewegungen, schnaubend und laut schnüffelnd, schwamm zu einem halben Meter unter Wasser versteckten Wellenbrecher, der 150 Meter vom Ufer entfernt war. Wenn er zum Ziel angekommen war, blickte er zurück. Das Paket war an der gleichen Stelle liegen, der junge Mann saß auf der gleichen Liege, aber jetzt schaute er ununterbrochen zum Wald hin.
Babuschkin schwamm zu dem Wellenbrecher, kletterte auf ihn und, stand knietief im Wasser auf und schaute in Richtung Küste hin. Aber sah da weder junger Mann noch seine Tüte mit der Aufschrift „MONTANA“ .Semjon dachte er war zu weit entfernt von dem Ort, wo er seine Tüte hinterlassen hat. Er versuchte die Küste genau zu betrachten, bis ihm schon die Augen wehtaten. Aber der junge Mann und auch seine Tüte waren nirgendswo zu sehen. Sehr besorgt sprang Semjon ins Wasser und schwamm zum Ufer hin. Wenn er aus dem Wasser rauskam und lief zu der bekannten Strandliege, stellte er nur seine Schuhe mit ordentlich eingepackten Socken fest. Das Paket war mit dem gesamten Inhalt spurlos verschwunden. Der Bleichgesicht-Mann  war auch weg. Er zog seine Socken an, steckte seine Füße in den Schuhen hinein und stürzte sich Semjon in Richtung des Waldes, aber stellte dort den mutmaßlichen Dieben von seinem „Schatz“ nicht fest.
– Ah, Odessa, du hast dich gar nicht verändert! – wiederholte Babuschkin mehrmals verbittert. Dennoch was soll tun? Ich kann doch nicht in Badehosen, Socken und Schuhen in die Stadt eintreffen. In so einem Outfit kann ich auch kein Taxi bestellen. Ich könnte so tun, als ob ich einen Athlet bin und mich dem Marathon anzuschließen, aber ist noch ziemlich weit bis zu der Wohnung meiner Freunden und es ist noch die ordentliche Hitze. Trotz der Morgenstunden war es mehr als vierzig Grad. Man kann nicht all zu viel laufen ohne die spezielle Vorbereitung. Nach einigen Minuten des Zögerns, beschloss Babuschkin sich an die Polizei zu wenden. Glücklicherweise es war eine Polizeistation direkt am Strand. Er klopfte an der rostigen Metalltür mit einem rissigen Kunststoff-Schild „Polizei“, er tritt in einen kleinen rechteckigen Raum mit den verfallenen Wänden und mit einem rissigen Holztisch hinein. Am Tisch saß ein junger Mann nur in Badehosen. Auf einem rostigen Nagel in einem Winkel in die Wand getrieben, hing einen mausgrauen Polizeiuniform mit Leutnant-Epauletten. Nach dem Babuschkin Erschienen starrte ihn der Büroeigentümer fragend an, mit der Mappe mit der Beschriftung „Fall“ deckend den Unterhaltungsmagazin zu. Babushkin dachte, es war ein „PLAYBOY“ gewesen.
– Was ist los? – nach einer kurzen Pause fragte der Büroeigentümer.
– Meine Sachen sind gestohlen worden, – mit dem leichten Stottern, zwang Semjon aus sich heraus.
– So, heute bist du schon der neunte! – Sagte der Mann in Badehose.
– W-w-was-s bedeutet es, dass ich schon der neunte bin? – fragte Semjon.
– Das bedeutet genau das, dass du seit Morgen  – antwortete wütend der nackte Leutnant -, es ist nur halb neun und neun Menschen sind schon ohne Kleidung geblieben. Heute haben die lokalen Klicken einen guten Fang – erklärte er.
– Was sollen wir tun? – fragte endlich Semjon, endlich mal ohne zu stottern.
– Wir werden eine Bestandsaufnahme der Gegenständen durchführen, – sagte der Leutnant -, Sie kommen doch hierher und passen gar nicht auf Ihre Sachen und für uns zusätzliche Arbeit schaffen. Wie auch immer diese Fälle sind für uns verloren.
– Wie verloren? – wunderte sich Babuschkin.
– Einfach so, – sagte hart der Mann in Badehosen – es ist verloren. Sucht nun den Wind auf dem Feld. Aber wenn Sie darauf bestehen, werden wir die Anzeige aufnehmen, füllen den Protokoll aus und eröffnen ein Fall. Nur es wird alles ohne Erfolg sein.
– Und was soll ich tun?
– Weiß ich nicht. Sollten Sie aber früher bedenken. Es wird alle 15 Minuten im Lautsprecher durchgesagt: „Sie sollten Ihre Sachen in der Garderobe aufbewahren, lassen Sie Ihre Sachen nicht unbeabsichtigt!“ Für wen machen sie sich so viel Mühe bei dieser Hitze oder sind Sie, Gott behüte, taub?
– Wie kann ich denn nach Hause fahren? – fragte, irgendwie umherblickend, Babuschkin.
– Und das sind ja Ihre Probleme – sagte, fangend an nervös zu werden, der Leutnant. – Gehen Sie mal zu Fuß.
– In der Badehose?
– Ja, in der Badehose. Sie haben doch noch die Schuhe.
  Jetzt begriff Babuschkin die ganze Absurdität dieser Situation. Er stellte plötzlich fest, dass er mit dem Leutnant irgendwie sich einigen muss, ansonsten würde sein Polizeibesuch gar kein Nutzen bringen.
  Nach den Verhandlungen haben sie wie folgt beschlossen: eine Anzeige wird von Semjon nicht erstattet und der Fall wird nicht vom Leutnant aufgemacht. Dafür gibt der gutherziger Leutnant dem Babuschkin, selbstverständlich mit der Rückgabe, die alten Polizeihosen mit Streifen, aber ohne einen Reißverschluss, ein altes kariertes Hemd ohne Knöpfe und der angekleidete Semjon fährt schwarz mit der Straßenbahn zu seinen Freunden. Eine Gegenleistung für dieses Gefallen wird eine Flasche Wodka sein, die zusammen mit der angemieteten Kleidung wird bis zum Abend von Semjon wieder zur Polizeiwache zurückgebracht.
  In der Straßenbahn irgendein unrasierter Typ, der wie ein Obdachloser aussah, fragte ihn:
-Wie spät ist es?
  Semjon hatte fast den Frechdachs aus der Straßenbahn herausgeworfen –  nämlich seine Uhr, die vom Vater ihm geschenkt wurde, sind in der gestohlenen Tüte geblieben. Er wartete am Hauseingang bis seine Freunde zurückkamen, zog sich um und beeilte sich schnell zum Lebensmittelgeschäft, wo er eine Flasche Wodka einer lokalen Abfüllung mit dem seltsamen Namen „POSOLSKAJA“ kaufte.
  – Offenbar hatte es so ein Namen, weil es einen salzigen Geschmack hatte,  – dachte er. Nach dem Zwischenfall am Strand es hatte Babuschkin nichts mehr überrascht.
  Er hat die vom Leutnant ausgeliehene Kleidung und eine Flasche Wodka in die Langeron Polizeistation zurückgebracht und kehrte zu seinen Freunden zurück, die schon zu dem Zeitpunkt den vollen Tisch gedeckt haben. Sie bemitleideten dem Semjon aufrichtig, nämlich:
  – In Odessa muss du aufpassen, sonst wirst du beraubt!
  Sein Freund, der schon leicht angetrunken war, sagte ihm leise, damit seine Frau das nicht hören kann:
  – Ich hatte auch einen solchen Zwischenfall, meine neue Markenhosen wurden gestohlen, die Kröten sind, während ich auf dem Meer mit einem Mädchen mich entspannt habe. Und du glaubst, dass ich nackt nach Hause rannte oder mich an die Polizei wandte? Nichts davon. Ich spazierte ruhig entlang dem Strand und sehe plötzlich einen jungen Kerl, der schwimmen geht – so ein Depp wie du. Und seine Hosengröße ist genau wie meine Größe. Ich zog seine Jeans an und rannte weg vom Strand. Nun soll sein Kopf wehtun, sobald er ein Depp ist. Bei uns in Odessa – jemand, der nicht mit Schritt kommt, ist schon zu spät. Derjenige, der letzter ist, sei auch „schuldig“. So ist es, unser lieber Balte. Was mit deinen gestohlenen Sachen zu tun hat – so es ist für dich die erste Lektion in Odessa-Mama und kostenlosen Unterricht geben unsere Ganoven nicht.
  Babuschkin hörte den Monolog von seine Freund zu, senkend traurig den Kopf. Nach dieser Offenbarung, fühlte er plötzlich irgendwie unangenehm. Er bedankte sich bei seinen Freunden für ihre Gastfreundschaft, nahm sein, jetzt schon mager gewordenen Koffer und begab sich in das nächstgelegenen Hotel.

Geschichte von Vitaly Shnayder.

Foto von V.S.
Übersetzung von Alla Rosco.

 

русская православная церковь заграницей иконы божией матери курская коренная в ганновере

Über IF: Vitaly Shnayder

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