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„Cherché, Blödmann, cherché…“

(„LIKBEZ“ FÜR EINFÄLTIGE MENSCHEN)

Alexander Taburetkin, ein Talliner Geschäftsmann, war sehr skeptisch jeglichen Horoskopen gegenüber. Und dazu hatte er auch allen Grund.

Noch vor einiger Zeit gehörte das Klischee „Gestalten Sie ihr Leben nach dem Horoskop“ zu seinem Lebenskredo, bis der so geliebte Horoskop Alexander einen bösen Streich spielte.

Taburetkin solle eine Geschäftsreise in ein sehr sonnigen Inselstaat unternehmen. Dafür musste er den Zug nach Riga nehmen, dann mit dem Flugzeug bis zur Hauptstadt des Insellandes fliegen und von dort aus mit dem Bus fahren. Vor der Reise bestellte er sich ein Horoskop für jeden Reisetag und verglich ab da jedes seiner Schritte mit ihm.

 

 

Die Geschäftspartner von der Insel holten ihn mit dem Auto am Flughafen ab. Und auch die Geschäftsreise lief sehr erfolgreich. Vor seiner Rückreise konsultiert Taburetkin sein Horoskop, um den bestpassenden Reisetag auszusuchen. An dem Tag versprach das Horoskop ihm vollen Erfolg.

 

Die Hauptstadt des Landes lag ca. 20 km vom internationalen Flughafen entfernt. Taburetkins Geschäftspartner erklärten ihm detailliert, was er alles auf dem Rückweg zu beachten hatte. Sie warnten ihn, dass er mit den Taxifahrern zuerst den Preis zu besprechen hatte, bevor er das Taxi nahm. Sonst betrügen die Einheimischen den Besucher, so wie es hier ortsüblich ist.

 

Den Busbahnhof der Hauptstadt erreichte Tabiretkin ohne große Probleme. Aber als er seine prallgefüllte Reisetasche aus dem Gepäckraum des Busses holte, wurde sie ihm von einem stämmigen und krummbeinigen Einheimischen aus der Hand gerissen, der dann mit ihr aus aller Kraft Richtung Taxihaltestelle lief. Als der Einheimische schließlich ein Taxi erreichte, öffnete er den Kofferraum und stopfte die Tasche hinein. Der wütende Geschäftsmann sprang zu dem Dieb mit geballten Fäusten, nur um festzustellen, dass der Taschendieb ein Taxifahrer war, der seine Klienten mit dieser originellen Methode ins Auto lockt. Wie es aussah, macht die Konkurrenz unter den Taxifahrern aus vor solchen exotischen Inseln nicht halt.

 

Im ersten Moment wollte Alexander ein anderes Taxi, mit einem weniger frechen Fahrer, nehmen. Dann erinnerte er sich an sein erfolgversprechendes Horoskop und beschloss, sich in sein Schicksal zu ergeben.

 

So setzte er sich ins Auto und befahl, ihn zum internationalen Flughafen zu bringen. Nach einiger Fahrtzeit zeigte der Einheimische die Preistabellen und erklärte Taburetkin, dass die Fahrt für ihn doppelt so teuer wird, weil er, der arme Taxifahrer, wird vom Flughafen zurück leer fahren müssen. Erst dann, mit einiger Verspätung, erinnerte sich der Geschäftsmann an die Aufklärung über die hiesigen Gepflogenheiten, beschloss aber, die Sache nicht kampflos aufzugeben. Er feilschte fast mit dem Schaum vor dem Mund und erreichte eine Absenkung des Preises um ein Drittel. Aber als sie am Flughafen ankamen, wollte der Einheimische schon wieder den doppelten Preis haben.

 

Ohne diese Zahlung weigerte sich der Einheimische, den Kofferraum zu öffnen und Taburetkin seine Tasche auszuhändigen. Nach langem Gezänk ging Alexander sein gesamter Bestand der englischen Sprache aus. Daraufhin gab er in seiner russischen Muttersprache so eine Tirade zum Besten, dass der verdutzte Einheimische den Kofferraum öffnete und ihm seine Tasche zurückgab.

 

Er verfolgte aber Taburetkin noch lange mit den Forderungen des unbezahlten Anteils, im gesamten Flughafengebäude, aber der Geschäftsmann scheuchte ihn immer, wie eine lästige Fliege weg. Dieser Vorfall blieb aber nicht unbemerkt von der einheimischen Polizei, deren Beamten Taburetkin vor seinem Flug festgenommen und lange Zeit verhört haben. Dabei durchsuchten sie auch das Gepäck und schickten sogar große Tafel Schokolade, die sie in der Tasche gefunden haben, zur Prüfung. Vermutlich dachten sie, Taburetkin sei ein internationaler Terrorist und hofften, in der Schokolade Plastiksprengstoff zu finden. Als ihre Suche schließlich ohne Erfolg blieb, entschuldigten sie sich und schickten den, vom langen Verhör ermüdeten Geschäftsmann weg.

 

Taburetkin gab seine Tasche als Gepäck ab und landete schon nach wenigen Stunden endlich in Riga. Man stelle seine Überraschung vor, als er die Tasche abholen wollte und keine Anzeichen von ihr fand. Die Tasche war spurlos verschwunden. In Riger Flughafen wurde ein Protokoll über das Verschwinden der Tasche erstellt.

 

Die Flüge in den besagten Inselstaat liefen durch eine gemeinsame lettisch-inselstaatliche Firma. Von deren Mitarbeitern erfuhr Taburetkin, dass das Verschwinden des Gepäcks bei solchen Flügen fast normal geworden ist. Es gab sogar eine eigene traurige Statistik, nach der bei einem Flug immer ein Gepäckstück verloren ging, was überwiegend auf der einheimischen Seite passierte – wahrscheinlich war das ebenfalls ein Teil der hiesigen Traditionen.

 

An der Stelle kamen Taburetkin das erste Mal Zweifeln an der Gültigkeit seines Horoskops, weil es ihm an diesem unglückseligen Tag das meiste Glück versprach.

 

Es dauerte einige Zeit, bis die Papiere fertig gemacht und die Verhandlungen mit den Führungskräften der Flugfirma durchgeführt wurden. Währenddessen fuhren auch der letzte Zug und der letzte Bus nach Tallin weg. Dazu noch war es in Riga bei weitem nicht so warm, wie auf der sonnigen Insel. Der Temperaturunterschied betrug um die dreißig Grad und die warmen Sachen waren alle in der Tasche und verschwanden folglich mit ihr. Ins Hotel konnte Taburetkin auch nicht, er hatte einfach nicht genügend Geld dafür. So verbrachte er die Nacht auf der harten Bank in Riger Bahnhof, den einheimischen Paradies mit seinen seltsamen Gesetzen der Gastfreundschaft verfluchend, während seine Zähne den Stepptanz ausschlagen. Am frühen Morgen kam er dann mit dem ersten Zug nach Hause.

 

Von diesen Moment an, fing sein dauerhafter Rechtsstreit mit der lettisch-inselstaatlichen Flugfirma, die eine Rückzahlung auf der Grundlage der lächerlichen Tarif 10 $ pro Kilogramm des fehlenden Gepäck aufsetzte. Taburetkin passte es gar nicht, in der Tasche war der größte Teil seiner Kleidung, Geschenke für Freunde und Familie und, am wichtigsten, die Produktproben, die er für seine Firma mitbringen sollte. Nach langem Briefwechsel und vielen Telefonanrufen überarbeitete die Flugfirma den ursprünglichen Kostenvoranschlag und beschloss, Taburetkin 20 $ pro Kilogramm des verlorenen Gepäcks auszuzahlen. Kurze Zeit später, als Alexander wieder einmal mit Riga telefonierte, teilte ihm der Direktor der Flugfirma mit, dass er seine Entschädigung abholen konnte, die Gelder seien schon in der Buchhaltung.

 

Taburetkin wollte schon am nächsten Tag fahren. Er scheute in sein Privathoroskop und sah, dass das Horoskop ihm finanziellen Gewinn vorhersagte. Dadurch ermutigt, nahm er den Zug und kam in der Hauptstadt Riga an. Aber in der Buchhaltung der Flugfirma hatte sie kein Geld für ihn, mehr noch, keiner der Mitarbeiter hatte je etwas von einer Entschädigung gehört. Und der Herr Generaldirektor geruhte eine Auslandsgeschäftsreise zu machen.

 

Taburetkin war verzweifelt. Was sollte er jetzt tun? Ohne Entschädigung zurück nach Hause fahren oder in Riga warten, bis der Generaldirektor wieder da ist? Das würde aber teuer werden, und die ganze Geschichte mit der verlorenen Tasche kostete Alexander schon eine runde Summe.

 

Und dann hatte Taburetkin eine Idee: im Office der Flugfirma arbeiteten ja ausschließlich Frauen. „Cherche la femme“ – erinnerte er sich an das berühmte französische Sprichwort. Taburetkin war ja ein ansehnlicher Mann, der bei seinen, an den Geschäftsreisen reichen Leben leicht Bekanntschaften mit den Damen schließ. So beschloss er, die Hauptbuchhalterin aufzusuchen. Bisher hatte er sie paar Mal im Flur gesehen: von kleiner Statur, aber geschmackvoll angezogen und sonst ist alles, wie es heißt, bei ihr am rechten Platz.

 

Nachdem Taburetkin ihr aufgeregt seine Geschichte erzählte, schaute sie ihn anerkennend mit ihren dunkelbraunen, leicht teuflischen, Augen an und gurrte:

 

         Also, junger Mann, ich glaube, ich könnte Ihrem Kummer helfen.

 

Dann fügte sie nach einer kurzen Pause mit gesenkter Stimme noch hinzu: – Wenn Sie die Dame in ein Restaurant einladen.

 

Als ein echter Gentleman, erklärte sich Taburetkin, ohne nachzudenken, damit einverstanden. Daraufhin wurde die geforderte Summe direkt in das Büro der Hauptbuchhalterin geliefert. Gesagt – getan: in Restaurant hat Alexander die Plätze schon reserviert, aber bis zum Treffen war noch etwas Zeit, so dass er schon mal für den nächsten Tag die Fahrkarte nach Tallin kaufte. Was auch durchaus verständlich war, Taburetkin hatte fest an die Fortführung solch nützlichen Bekanntschaft in einer mehr intimeren Umgebung geglaubt.

 

Das Bankett begann hervorragend. Er sagte Trinksprüche, sie schaute ihn mit ihren dunkelbraunen Augen an und nickte. Von ihrem feuchten Blick wurde es Alexander immer heißer… Aber am Höhepunkt der Feier wurde sie mit dem Dienstauto abgeholt und verließ mit einer Entschuldigung das Restaurant, alle Hoffnungen von Taburetkin begrabend. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon einiges intus und konnte sich nicht mehr stoppen, ehrlich gesagt, wollte er es auch nicht. So nahm er noch mehr Kognak, um seinen Ärger zu füllen, dann noch mehr und noch mehr, bis er auch den Rest der Entschädigung ausgegeben hatte, indem er Musik für unbekannte Frauen bestellte und ihnen riesige Rosensträuße kaufte… Die Nacht verbrachte er an der schmerzlich vertrauen Bank im Riger Bahnhof…

 

Zuhause kam der recht schäbig aussehende Geschäftsmann ohne einen Cent in der Tasche. Sein Kopf zerbrach förmlich vor Schmerzen. In seiner Wohnung angekommen, gab Taburetkin dem Gefühl nach: er zerriss sein unglückliches Horoskop in kleine Fetzen und stampfte noch lange mit den Füßen drauf. In seinem Kopf hallte ein seltsames Surren und war eine sehr üble Stimme zu hören, die immer den gleichen Satz wiederholte: „Cherché, Blödmann, cher-ché…“

 

Übersetzung v. Dina Krivorutskaya.

Foto v. Vitaly Shnayder.

 

русская православная церковь заграницей иконы божией матери курская коренная в ганновере

Über IF: Vitaly Shnayder

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