Start // Artikeln // Kultur // Geschichte // Wer lag im Inneren des dritten Sarkophags?
Integrationszentrum Mi&V e.V. – Mitarbeit und Verständigung

Wer lag im Inneren des dritten Sarkophags?

 

Etwa um 11:00 Uhr, am 9. November 1923 betraten die Putschisten den Odeonsplatz in München. Angeführt wurde die Militärkolonne von General Ludendorff und dem Führer der Nationalsozialisten Adolf Hitler.

Links vom Führer marschierte ein Offizier in der Uniform des aristokratischen bayerischen Leichten Kavallerie-Regiments. Dieser Offizier war in München bekannt als Max Erwin von Scheubner-Richter. Der eng vertraute Kampfgefährte Hitlers galt als Modekenner, als ständiger Besucher von Pferderennen und Stammgast in aristokratischen Salons. Er war ein Monarchist und Rechtsnationalist, ein sehr reicher Mann und ein Dandy, persönlicher Freund einiger bayerischer Prinzen des altdeutschen Adelsgeschlechts des Herrscherhauses Wittelsbach. Von Scheubner-Richter war einer der Führungsfiguren der neuen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).

 

 

 

Der Kosak

 

Richter selbst behauptete, dass er am 9. Januar 1884 in Riga, als Max Richter in einer deutschbaltischen Familie geboren wurde. Dann angeblich, diente er im Kosaken-Regiment und während der Revolution im Jahre 1905 war er in Diensten bei den deutschen Verteidigungsstreitkräften in den baltischen Staaten.

 

Diese Geschichte erweckt große Zweifel, da Richter, dem Anschein nach, ein einfacher Soldat war, jedoch dienten im Kosaken-Regiment einfache Soldaten nur wenn sie aus Kosaken-Familien stammten. Aber auch die Offiziere waren, mit wenigen Ausnahmen, Nachkommen der Kosaken.

 

Im Kriegs-Reglement von Pflicht und Schuldigkeit vom Jahr 1874, wurden Kosaken mit 18 Jahren zum Dienst verpflichtet, wobei in den ersten drei Jahren eine Rekrutenausbildung vorgenommen wurde, während sie zwei Jahre in den Dörfern lebten und das dritte Jahr im Feldlager. Danach leisteten Kosaken vier Jahre lange den echten Dienst in den Divisionen ab.

 

Somit konnte der zukünftige Baron, der 1884 geboren wurde, kaum seinen militärischen Dienst bis 1905 abgeschlossen haben, auch wenn man annehmen würde, dass er ein Deutscher war, der unter welchen mysteriösen Umständen auch immer, den Kosaken zugewiesen wurde.

 

Überhaupt haben alle Historiker, die Richter erwähnten, niemals über zuverlässige Quellen bezüglich der Herkunft seiner Eltern, deren Stand in der Gesellschaft oder deren Nationalität verfügt.

 

Richters Erzählungen über die Zeit nach der ersten Russischen Revolution enthalten sehr viele ungeklärte und unzuverlässige Einzelheiten. Es scheint als hätte er in der Zeit in Riga gelebt, an einer polytechnischen Hochschule studiert und war außerdem Mitglied der deutschbaltischen Korporation Rubonia, dessen Hauptquartier sich in einem alten Burgturm befand.

 

 

 

Der Dandy

 

Die Mitgliedschaft in der Korporation Rubonia erlaubte Max Richter ziemlich nützliche Bekanntschaften in germanophilen Kreisen zu pflegen. So zählte er zu seinen Freunden Alfred Rosenberg, Arno Schickedanz (Hitlers zukünftiger Statthalter des kaukasischen Gebiets) und Otto von Kursell (in den zwanziger Jahren Vorsitzender des ukrainischen Zentrums, überzeugter Nationalist). Im Umgang mit ihnen demonstrierte Richter stets seine Liebe und Loyalität zu Deutschland, was in großem Umfang zu seinem Umzug nach München 1910 verhalf.

 

Dort studierte er wahrscheinlich einige Zeit das Ingenieurwesen, obwohl sein Name im Archiv der Technischen Hochschule München nicht auftaucht. Anderen Quellen zufolge, zog Richter erst nach dem erfolgreichen Abschluss der Technischen Universität Riga nach München um.

 

Dank seines angenehmen, selbstsicheren Auftretens und des aristokratischen Glanzes, genoss Max Erwin großen Erfolg bei Frauen.

 

Schon bald nach seiner Ankunft in München fand seine Hochzeit mit Mathilde von Scheubner statt. Die Baronin war 18 Jahre älter als Richter, doch diese Ehe öffnete für ihn die Türen zum Hautevolee. Aus dem gewöhnlichen Max Richter verwandelte er sich in Ludwig Maximilian Erwin von Scheubner-Richter, besser bekannt als Max Erwin von Scheubner-Richter.

 

Nach der Hochzeit führte der Baron weiterhin einen weltlichen Lebensstil. Zu seinen Freunden und Bekannten zählten Mitglieder der besten Familien Bayerns. Er galt als einer der Stimmführer der damaligen „Goldenen Jugend“. Der berühmte Schriftsteller Richard Hughes stellte Scheubner-Richter in seinem Roman „Der Fuchs in der Dachkammer“ als einen der weltlichsten Personen dieser Zeit in Deutschland. Als Privatgelehrter begeisterte sich der Baron für die Wissenschaft der Chemie. Außerdem galt er als hervorragender Boxer und Reiter, gleichwohl wenn das Thema der Reitkunst zur Sprache kam, Max stets beteuerte, dass seine Mathilde um einiges besser mit Pferden umgehen konnte, als er selbst. Überhaupt demonstrierte er immer einen großen Respekt für die Kenntnisse und Fähigkeiten seiner Frau.

 

 

 

Der Freiwillige

 

Gleich nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs trat Richter den Dienst beim Deutschen Heer an, obwohl er Staatsangehöriger des Russischen Reichs war. Gleich am ersten Tag der Aushebung meldete sich der Baron freiwillig in den Reserve-Geschwader des fünften bayerischen Leichten Kavallerie-Regiments. Dafür musste er einen Betrug begehen: statt Riga gab Richter eine kleine Stadt in Sachsen als seinen Geburtsort an. Das alles fand im alten Sraubing statt, einer kleinen Stadt am Ufer der Donau. Und genau dort hat Max Erwin Bekanntschaft mit seinem zukünftigen Freund und einzigem Biografen Paul Leverkuehn gemacht. Später wurde Leverkuehn zu einem der besten Spione Deutschlands.

 

Richter sah älter und reifer aus, als die anderen Freiwilligen. Klein, aber beweglich. Relativ großer Kopf, fast kahl, kleiner dunkler Schnurrbart, runde braune Augen, bunte aber glatte Sprache mit unverwechselbarem baltischem Akzent. Nach der vorbereitenden Schulung, wurde das Geschwader, in welchem Scheubner-Richter diente, zur dritten bayerischen Armee nach Lothringen an die Westfront geschickt. Der positionierte Krieg erforderte keine große Anzahl an Kavalleristen. Am 30. Oktober 1914 wurde der Baron zum Artilleriebeobachter. An der Front hielt er sich ziemlich mutig und schon nach einem Monat wurde ihm das Eiserne Kreuz (EK) verliehen. Die Offiziere in seinem Umkreis sprachen stets anerkennend von seiner Kaltblütigkeit.

 

Danach wurde der Baron mit einigen Regiment-Mitgliedern in die deutsche militärische Mission in der Türkei versetzt. Bald wurde Scheubner-Richter zum Leutnant und Vize-Konsul der strategisch wichtigen türkischen Festungsstadt Erzurum befördert.

 

 

 

Der Konsul

 

Dank seiner hervorragenden Sprachfähigkeiten führte er eine aktive Spionagetätigkeit, nahm teil an risikoreichen Ausflügen und hetzte ziemlich erfolgreich die kurdischen Stämme zum Krieg gegen Russland und England auf. Dabei hat er viel für den Schutz der Armenier gegen die Türken beigetragen. Die Türen seines Hauses standen immer offen und seine Stammgäste waren hochgestellte türkische Offiziere und Beamte. Dank der unzähligen Empfänge, Rennen und Jagden fand Richter viele Freunde unter den Türken.

 

In Erzerum vereinigten sich die türkischen und deutschen Spionagekräfte gegen die kaukasischen Provinzen Russlands. Neben der Spionage hatte von Scheubner-Richter eine besondere Aufgabe vom Militär-Attache Oberst Leipzig in Istanbul erhalten: Sabotage der Öl-quellen und die Sprengung der Brücken und Eisenbahnlinien rund um Baku.

 

Für die Ausführung dieser Aufgabe hatte der Baron eine Verbindung zu den nationalistisch gestimmten Aserbaidschanern hergestellt, die für den deutschen Geheimdienst arbeiteten. Jedoch ist über die Durchführung jedweder Sabotageakte in Aserbaidschan aus welchen Gründen auch immer nichts bekannt.

 

Von Scheubner-Richter beschäftigte sich aktiv mit der Vorbereitung des antirussischen Aufstandes in Georgien. Mit seiner Hilfe wurden in Berlin, Wien und Konstantinopel georgische Ausschüsse ins Leben gerufen. Anfang des Jahres 1915 hatten Türken und Deutsche in Trapezunt eine georgische Legion erschaffen, jedoch hat sich daraus nichts Ernsthaftes entwickelt.

 

Die Tätigkeiten des Barons in Iran und Irak waren so erfolgreich, dass Paul Leverkuehn, einer der berühmtesten deutschen Spione des Ersten und Zweiten Weltkriegs, Scheubner-Richter mit den „deutschen Lawrences“ Waßmuß und von Hentig, verglich. Es reicht zu erwähnen, dass Richter, mit seinem nicht besonders großem Trupp, es geschafft hat den Russen einen der persischen Städte wegzuschnappen. Auf den Kopf des Barons wurde ein sehr hohes Kopfgeld in Höhe von 10000 Rubel festgesetzt.

 

 

 

Der Kämpfer an der Front

 

Ende Oktober 1916, als Scheubner-Richter sich nach dem türkischen Einsatz im Urlaub befand, erstatte er dem Reichskanzler Bericht bezüglich der armenischen Angelegenheit. Scheubner-Richter fing an seine Doktorarbeit zu schreiben, die er bis Ende des Jahres vervollständigte, wonach er einen Doktortitel auf dem Gebiet des Ingenieurwesens an der Technischen Hochschule München erhielt.

 

Anfang des Jahres 1917 meldete sich Richter wieder zum Dienst, diesmal beim siebten Kavallerie-Regiment.         Bis Ende März setzte er seine Versetzung an die Westfront durch. Dort diente er als Verbindungsoffizier bei der fünften bayerischen Infanterie-Division.

 

Seine Hände passierten die wichtigsten Berichte und Direktiven. Er beschäftigte sich außerdem mit der Analyse von Spionagedaten und der Dislozierung des Gegners. Er musste auch Befragungsdaten der Kriegsgefangenen analysieren. Außerdem hatte er die Aufgabe die Briefe der deutschen Soldaten und Offiziere zu zensieren.

 

Nach der russischen Revolution wurde Leutnant Scheubner-Richter nach Schweden geschickt, wo er an Verhandlungen zwischen den deutschen Kommandanten und diversen nationalistischen russischen Funktionären teilnahm. Schon bald wurden diese Verhandlungen abgebrochen, dessen Umstand in hohem Maße Richter selbst verhalf.

 

Anfang des Jahres 1918 erhielt er seine Designation als Leiter des Pressedienstes der achten Armee in Riga. Hier schleuste sich Scheubner-Richter in den engsten Vertrauten Kreis des Stabführers General Ludendorff ein, wo er Beziehungen mit rechtsextremen Politikern knüpfte, die im zukünftigen Kampf gegen den Bolschewismus helfen könnten. Um genau zu sein, haben sie in Ostpreußen Wolfgang Kapp gefunden, den sie für eine sehr perspektive Person im Kampf gegen die Linken hielten, was er auch während seines berühmten Putschs durchaus bewiesen hat.

 

Für die Teilnahme an den Kämpfen im Jahr 1918 wurde dem Baron das Eiserne Kreuz der Ersten Klasse verliehen. Aber schon vorher wurde er von der Stadt Lübeck mit dem Hanseatenkreuz ausgzeichnet.

 

Vor dem Krieg wohnten in Riga 160000 Deutsche. Danach wurden viele in die Tiefen Russlands geschickt, aber in Riga wurden trotzdem die deutsche „Rigaische Rundschau“ und die lettische „Rigas Latweeschu Awiso“ herausgegeben. Der Pressedienst leitete an beide Zeitungen Meldungen des deutschen Nachrichtendienstes weiter und führte die Zensur durch.

 

In Riga half Richter dem Wiederaufbau der Technischen Hochschule, an der er selbst vor dem Krieg studierte. Ihm unterstand ein Stab mit 60 Mitarbeitern, zu denen auch viele Vorkriegs-Mitglieder der Korporation Rubonia angehörten.

 

Dieser Stab enthielt einen speziellen Geheimdienst, dessen Aufgabe es war das politische Leben in den baltischen Staaten zu erforschen. Ab April 1918 fing Richter an dem Militärkommando Lageberichte über die Situation in den baltischen Staaten zu liefern. Außerdem gab er das Nachrichtenblatt „Auszüge aus der baltischen Tagespresse“ heraus, das mit großem Interesse von Personen höchsten Ranges in Riga und Berlin gelesen wurde. Das Nachrichtenblatt enthielt eine große Menge wichtiger Informationen über die Geschichte, die Kultur, die Wirtschaft und die politische Situation im Baltikum.

 

Über das politische Gespür Scheubner-Richters lässt sich alleine dadurch urteilen, dass er schon im Oktober 1918 Verhandlungen mit lettischen nationalistischen Führungspersönlichkeiten führte.

 

Die Niederlage des Deutschen Heers im Westen und die Novemberrevolution machten die Deutschen empfänglicher für die kommunistische Propaganda. Über die Zeitung „Das neue Deutschland“, die Scheubner-Richter am 13. November gründete, versuchte er gegen die bolschewistische Stimmung der deutschen Soldaten zu kämpfen.

 

Nach der Unterzeichnung des Friedensaktes sollte die Rückführung der deutschen Soldaten aus Lettland stattfinden und die Engländer befahlen die Einwilligung dessen durch die lettische Regierung von Ulmanis. Reichsgesandter dieser Regierung war der Sozialdemokrat August Winnig, mit dem Scheubner-Richter einen ziemlich engen Kontakt herstellte.

 

Scheubner-Richter führte persönlich Verhandlungen mit dem Befehlshaber der Roten Armee in Lettland Pyotr Stuchka über die Rückführung der deutschen Streitkräfte aus Riga.

 

Doch schon bald wurde der Baron von den deutschen roten Matrosen verhaftet und so verbrachte er einige Zeit in einem Gefängnis, bis ihn seine Frau mit sehr großer Mühe befreien konnte, wobei Stuchka persönlich befahl den Gefangenen frei zu lassen.

 

Nachdem nun Max Erwin eine Reihe von außergewöhnlichen Abenteuern durchlebte, schaffte er es mit seiner Frau Mathilde das Baltikum zu verlassen und nach Deutschland zurück zu kehren.

 

 

 

„Der Rebell“

 

Nach der deutschen Novemberrevolution wurde Scheubner-Richter zu August Winnigs politischem Berater, der zum Reichskommissar von Ostpreußen ernannt wurde. Trotz der Katastrophe, die das Kaiserreich plagte, bewahrte Max Erwin seinen Optimismus und sagte stets zu Winnig, dass in fünf Jahren ein neues Deutschland entstehen würde.

 

Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Versailles wurde dann eine Geheimorganisation der Repräsentanten der Großindustrie, der Militärangehörigen und der Aristokratie gegründet, während Scheubner-Richter einer der ersten Mitglieder war. Nach dem Vorbild der Freimaurerlogen erbaut, erhielt die Organisation den Namen „Ring“.

 

Im Februar 1919, in Königsberg, lag die Macht in den Händen einer Gruppe revolutionärer Matrosen, die in Arbeiter- und Soldatenräten an der Spitze standen.

 

Anfang März fingen die Freiwilligentruppen und die restlichen Truppen der Ostpreußischen Armee Königsberg von den Revolutionären zu befreien.

 

Nach einer kleinen Artillerievorbereitung besetzten die Regierungstruppen das Königsberger Schloss, das im Nachhinein zu Reichskommissar Winnigs Residenz wurde. Richter nahm Teil an der Formation der Freiwilligentruppen und an der Übernahme der Macht. Von März bis Juni 1919 arbeitete er im Stab des Reichskommissars.

 

Später wurde Scheubner-Richter zum Vorsitzenden des Ostdeutschen Heimatdienstes. Außerdem gründete er einen speziellen Geheimdienst, den „Wirtschaftspolitischen Aufklärungsdienst für den Osten“, der gegen den Bolschewismus kämpfte. Dieser Dienst gab die wöchentliche Zeitschrift „Klarheit“ heraus, mit einer Druckauflage von 15000 Stück.

 

Nachdem der Baron nach Danzig umgezogen war, gründete er den „Zentralausschuss für den Ostdeutschen Heimatdienst“.

 

Im März 1920, während des Kapp-Putsches, befand sich Richter in Berlin, doch ihm war nichts über die Pläne und die Fristen des Staatsstreiches bekannt. Sofort nach der Machtübernahme durch Kapp und Lüttwitz, wurde Richter zur Leitung der Propagandaorganisation eingeladen. Doch kurze Zeit später wurde die Kapp-Regierung gestürzt und der Baron war gezwungen nach München zu flüchten.

 

 

 

Der Diplomat

 

Schon bald zog die neue deutsche Regierung Scheubner-Richters Anklage über die Teilnahme am Staatstreich zurück. Womöglich hing das damit zusammen, dass der Baron über Alfred Rosenberg ein Angebot von einer Gruppe süddeutscher Industrieller erhielt, die Baron Wrangel Hilfe leisten wollten. Sie brauchten unbedingt eine mutige und entschlossene Persönlichkeit, die den Weg nach Krim bahnen könnte.

 

Scheubner-Richter nahm diesen Auftrag mit großer Freude an und schon Mitte des Jahres 1920 befand er sich auf dem Balkan. Aber zu dieser Zeit zog sich Wrangel mit seinen Truppen an der ganzen Front zurück und Verhandlungen mit ihm verloren jeglichen Sinn.

 

Auf dem Weg zum „schwarzen Baron“, knüpfte der deutsche Baron Kontakte mit Vertretern eines äußerst rechts gestimmten monarchistischen Flügels der russischen Emigranten. Es lässt sich vermuten, dass diese nicht die einzigen waren, denn nach seiner Rückkehr nach Deutschland behauptete Scheubner-Richter, dass der Grund für alle Miseren in Russland der Versuch der Durchführung demokratischer Reformen war, denn für dieses Land wären nur zwei Regierungsformen seiner Meinung nach angebracht: der Zarismus oder der Bolschewismus.

 

Bei seiner Rückkehr nach München, gründete Scheubner-Richter die deutsch-russische politisch orientierte Verbindungsorganisation „Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung“, die sich offiziell damit beschäftigen sollte den Handel mit dem von Bolschewisten befreiten Russland anzutreiben. In Wirklichkeit aber sollte diese Verbindungsorganisation dazu dienen, alle rechts gestimmten Kräfte gegen den Kommunismus zu vereinigen. Schlüsselfiguren dieser Organisation waren neben dem Fürsten Biskupski die ehemaligen Mitglieder der Riga Rubonia Schickedanz und von Kursell. Schon bald wurde diese Organisation bekannt als „Aufbau“ und gab mit Scheubner-Richter als Schriftleiter die politisch-industrielle Zeitschrift „Wirtschaftliche Aufbau-Korrespondenz“ heraus.

 

 

 

Der Nationalsozialist

 

Im Oktober 1920 machte Rosenberg den Baron mit Hitler bekannt und nach der Versammlung am 22. November trat ScheubnerRichter in die NSDAP ein. Wie Konrad Heiden in einem seiner Bücher schrieb, erschütterte Scheubner-Richter Hitler und beeinflusste ihn sehr stark in politischer Hinsicht.

 

Zusammen mit Rosenberg, verstand es Scheubner-Richter den Führer gegen die Juden aufzuhetzen, wobei sie an den unterbewussten Antisemitismus des Herrn Schicklgruber appellierten.

 

Zu dieser Zeit entstanden Scheubner-Richters Schriften über den Internationalismus, den er als eine heimtückische Erfindung der Juden ansah, die folgende Aussagen enthielten: „Die Völker fangen an zu verstehen wo ihr Feind ist, sie sehen, dass im Namen des pervertierten, falsch interpretierten Internationalismus sie sich gegenseitig zu Gunsten des gemeinsamen Feindes vernichten.“

 

In der NSDAP konnte der Baron sich sofort als einen sehr fähigen Organisator behaupten, der über wichtige politische Beziehungen verfügte und es auch verstand, weitere Geldquellen für die Partei zu ermitteln und nutzbar zu machen.

 

Seine Wichtigkeit in der Partei stieg extrem, sodass er sogar Rosenberg, den Hauptideologen und Publizisten der Partei, in den Schatten stellte. Sein stets wachsender Einfluss und seine Nähe zu Hitler erweckten einen ziemlich offenen Neid und Hass von Görings Seite aus.

 

Scheubner-Richter führte Hitler in die höchsten gesellschaftlichen Kreise ein. Dafür hatte der Baron alle Möglichkeiten. Er hatte sehr enge Beziehungen zu Industriellen wie den „Stahlbaron“ Fritz Thyssen oder Paul Reusch. Er hatte engen Kontakt zu CramerKlett und dem Berater der Bayerischen Volkspartei, er hatte auch guten Kontakt zu den Industriellen aus München, Regensburg und Augsburg.

 

Oberst Max Bauer, ein Vertrauter von Hugo Stinnes und Adjutant von General Ludendorff, gehörte zu den engsten Freunden Richters. Bauer ist eine der geheimnisvollsten Personen in der Geschichte Deutschlands des 20. Jahrhunderts. Er gründete seinen eigenen Geheimdienst, dessen Ziel die Erschaffung eines Länderblocks in Mitteleuropa war, der dazu fähig wäre das Versailler System zu zerstören. Aber weder über Max Bauer noch über seinen Geheimdienst existieren genügend Quellen.

 

Baron von Scheubner-Richter gehörte außerdem zum engen Kreis des wahrscheinlichen Nachfolgers des russischen Throns, Kyrill Wladimirowitsch Romanow. Auch Richters Frau, Baronin Mathilde, war persönliche Freundin der großen Fürstin Viktoria Melita von Sachsen-Coburg und Gotha. Im Großen und Ganzen, war Richter praktisch mit allen mehr oder weniger bedeutenden Persönlichkeiten des rechtsextremen Flügels Deutschlands verbunden.

 

Als Vertrauter von General Ludendorff und Münchens Polizeioberwachtmeister, half er mehrmals Hitler eine Verhaftung mit Anklage wegen Verschwörung zu umgehen.

 

Der frühere Dienst im Osten als Befehlshaber der deutschen Streitkräfte ermöglichte dem Baron den direkten Zugang zur Münchner Reichswehr. Das erlaubte ihm in Bayerns Hauptstadt im Jahr 1923 das erste Treffen der nationalsozialistischen Partei durchzuführen.

 

Worin er aber vor allem sein Talent und seine Genialität demonstrieren konnte, war die Ermittlung und Beschaffung von finanziellen Mitteln für diverse rechtsextreme Bewegungen. Es hieß, dass er Geld von den Wittelsbachs, von deutschen Industriellen, von reichen Weißen Emigranten und vom Großfürst Kyrill Wladimirowitsch erhielt, dessen Frau in der Zeit zwischen 1922 und 1923 mit Scheubner-Richters Hilfe große Summen an Ludendorff übergab. Ferner konnte der Baron durch seine Frau Fördermittel einiger englischer Aristokraten erlangen.

 

 

 

Der Monarchist

 

Jedoch widmete Herr Scheubner-Richter die meiste Zeit und Kraft der Arbeit mit russischen Emigranten. So organisierte er, überwiegend mit seinen eigenen Mitteln, Ende Mai 1921 in Bad Reichenhall in einem Restaurant einen Kongress mit russischen Monarchisten, der zum Ziel hatte den Nachfolger für den russischen Thron zu wählen.

 

Bei der Eröffnung des Kongresses hieß Scheubner-Richter die Anwesenden willkommen, und dann, wie gewöhnlich, blieb er im Schatten, um den Monarchisten die Möglichkeit zu gewähren ihre Probleme selbst zu lösen. Der Kongress fand sein Ende praktisch erfolglos und erweckte eine Spaltung im rechten Flügel. Wahrscheinlich hat ihn Scheubner-Richter genau deswegen organisiert, denn als Schuldige der Spaltung der Weißen Emigration erklärte er die „Weisen von Zion“.

 

Der Baron demonstrierte stets seine antibolschewistische Haltung, erklärte sich gegen den Vertrag zwischen Deutschland und der Sowjet Union in Rapallo und empfahl die Kommunisten zu erhängen.

 

Die deutschen Rechten forderte er auf einen Marsch auf Berlin durchzuführen, um das deutsche Land vom roten Terror zu befreien. Er behauptete, dass Hitlers Krieg gegen den Bolschewismus für die Schicksale der ganzen Welt von Bedeutung war und schrieb dazu, dass der Kampf unter der Devise „der sowjetische Stern gegen das Hakenkreuz“ stehen würde und dass das Hakenkreuz siegen würde.

 

Dabei legte der Baron in seinem Artikel „Die Rote Armee“ am 23. März 1923 in der nationalistischen Zeitung „Völkischer Beobachter“ seinen Parteigenossen nahe von den Russen zu lernen.

 

Unter anderem, ist die Geschichte des Erwerbs dieser Zeitung von der NSDAP interessant. Im Jahr 1919 wurde in Deutschland die mysteriöse Thule-Gesellschaft von Rudolf von Sebottendorf gegründet, die überwiegend aus Rechtsextremisten bestand. Diese Gesellschaft war politisch orientiert und bekämpfte mittels des Terrors Befürworter des linken und liberalen Flügels.

 

Die Mehrheit der Aktien der Sportzeitung „Münchner Beobachter“ gehörte von Sebottendorfs Geliebten. Im Dezember 1920 wurde die Zeitung von der NSDAP erworben und in „Völkischer Beobachter“ umbenannt. Anzumerken wäre, dass Richter in die nationalsozialistische Partei am 22. November desselben Jahres eintrat und die Partei sofort über das Geld für den Kauf der Zeitung verfügte.

 

 

 

„Der Revolutionär“

 

Anfang des Jahres 1923 spitzte sich die Situation in Deutschland extrem zu. Am 12. Januar besetzte Frankreich das Ruhrgebiet, unter dem Vorwand der Nichtbezahlung der Reparationen. Als Reaktion darauf rief die deutsche Regierung das Volk zum passiven Wiederstand gegen die Franzosen auf. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Land von der Inflation geplagt. Der Brotverbrauch sank um 41% und der Fleischverbrauch um 63%. Im August fand ein Generalstreik als Antwort auf die zunehmende Massenverarmung statt. Die Rechten und die Linken bereiteten sich zum entscheidenden Machtkampf vor, da die sich ständig wechselnden Regierungen umso mehr einer Illusion glichen.

 

Unter diesen Umständen, bildete in Nürnberg die NSDAP gemeinsam mit dem „Bund Oberland“ und verschiedenen weiteren nationalistischen Organisationen den Deutschen Kampfbund. Dabei entstand zwischen Hitler und Ludendorff wegen der Leitung dieser Organisation ein Konflikt und nur eine friedliche Vermittlung von Scheubner-Richter hat die beiden Parteiführer besänftigt und versöhnt. Ferner war Scheubner-Richters Posten als Parteisekretär des neuentstandenen Bundes beiden recht.

 

Am 24. September, am nächsten Tag nach der Abschaffung passiven Widerstands Stresemanns gegen die französische Besatzung des Ruhrgebiets durch die Regierung, erstellte Scheubner-Richter ein Memorandum mit dem Thema Taktik und Strategie des rechten nationalistischen Flügels.

 

Er schlug vor die Machtübernahme mittels äußerer legaler Wege zu erreichen und rief dazu auf illegalen Druck auf die Regierung auszuüben und keine Angst vor dem Risiko zu zeigen. Die Satzungen dieses Memorandums wurden zum Leitfaden für die Aktionen der nationalistischen Partei.

 

Am 26. September führten die örtlichen Monarchisten einen Putsch durch und ernannten Gustav von Kahr zu Bayerns Staatskommissar mit diktatorischer Machtbefugnis.

 

Der neue Machthaber Münchens fing sofort mit der radikalen Herstellung der Ordnung an. Er verbot umgehend die Durchführung von Hitlers 14 angekündigten Versammlungen, da er diesen für einen nicht beachtungswürdigen Politiker hielt.

 

Die Spannung in Deutschland wuchs. Das Land, so schien es, erwartete die nächste Revolution. In dieser Situation fing von Kahr an Bayern faktisch von dem restlichen Deutschland abzutrennen.

 

In einer der Ausgaben der Zeitung „Völkischer Beobachter“ wurde der kommandierende General der Reichswehr brachial als Sekte beleidigt. Die Regierung verlangte vom bayerischen Landeskommandant der Reichswehr General von Lossow die Zeitung abzuschaffen, doch er verweigerte, wofür er dann der Befehlsgewalt enthoben wurde. Als Reaktion darauf vereidigte von Kahr am 27. Oktober vor der Regierung die siebte Division der Reichswehr. Diese Division war somit nicht mehr der Zentralregierung untergeordnet.

 

Am 23. Oktober brach der kommunistische Hamburger Aufstand aus, der nur mit großer Mühe erst am 25. desselben Monats niedergeschlagen wurde.

 

Im Oktober besuchte der „Stahlbaron“ Fritz Thyssen München und führte in Scheubner-Richters Haus Unterredungen mit Hitler über die mögliche Entwicklung der Situation im Land durch.

 

Dazu erklärte Scheubner-Richter im November, der schon früher für einen Staatsstreich büßen musste, dass ein erneuter Putsch der Rechten eine Dummheit wäre. Dabei beschuldigte er von Kahr in seinem Streben nach der Entfernung Hitlers und Ludendorffs aus führenden Positionen. Es wurde entschieden von Kahr mit Gewalt dazu zu bringen eine nationale Regierung mit der Beteiligung der Nationalisten zu etablieren.

 

Am 9. November besuchte Hitler persönlich seinen Freund Max Erwin zu Hause. Der Baron erlaubte widerwillig dem Führer sich zu dem Putsch zu überreden, auch wenn er früher nicht daran teilnehmen wollte, obwohl einigen Quellen zufolge Scheubner-Richter selbst in Wirklichkeit den Bierputsch in München organisiert haben soll.

 

Am Abend desselben Tages trat von Kahr mit einer großen Programmrede bei einer Versammlung im Bürgerbräukeller auf. Etwa gegen 21:00 Uhr stürmte Hitler, in Begleitung seines bewaffneten Gefolges hinein und proklamierte den Anfang der nationalen Revolution. Er konnte jedoch, eine Weile lang, von Kahr, von Lossow und den bayerischen Polizeipräsidenten Zaisser nicht davon überzeugen der temporären Regierung beizutreten. Und erst als Scheubner-Richter General Ludendorff brachte, haben diese drei Machthaber Bayerns sich einverstanden erklärt Hitler zu unterstützen. Doch schon bald kam von Kahr zu der Schlussfolgerung, dass Hitlers Putsch keine Chancen auf Erfolg hätte und deswegen wurden am Morgen des 9. Novembers überall in München Plakate mit der Verkündung der Auflösung der NSDAP angebracht.

 

Hitler versuchte eine bewaffnete Demonstration mit seinen Anhängern durchzuführen, in der Hoffnung von Kahr dazu zu zwingen den Putsch zu unterstützen.

 

 

 

„Der Märtyrer“

 

Nun trat die Kolonne der Rebellen hinter der Feldherrenhalle auf den Odeonsplatz hervor. Den weiteren Weg blockierte ein Polizeitrupp. Plötzlich erklangen Schüsse. Die ersten Kugeln trafen Baron von Scheubner-Richter. Im Fallen riss er zufällig den Führer der Nationalisten zu Boden, womit er ihm offensichtlich das Leben rettete.

 

Hitler sagte später über ihn: „Jeden kann man ersetzen, ihn – niemals!“ Und dabei wurde Scheubner-Richter in den Jahren des Dritten Reichs kaum erwähnt. Und obwohl einige Straßen und Städte nach ihm benannt wurden, wurde über ihn viel weniger berichtet und geschrieben, als er scheinbar verdient hätte. Andere Helden des Putsches lobpreisten sich selbst ständig mit der nationalistischen Propaganda. Womöglich haben die Parteigenossen doch etwas über Scheubner-Richter erfahren, was nicht unbedingt in das Bild eines nationalistischen Helden passte.

 

Und trotzdem, als im Jahr 1933, die restlichen „Märtyrer“ des Putsches auf den Königlichen Platz in München umgebettet wurden, wurde Max Erwin von Scheubner-Richters Sarkophag in der Ruhmeshalle von Hitlers Anhängern aufgestellt. Er stand als dritter an der äußeren Wand.

 

 

 

Spion

 

Der Historiker Alan Bullock war der Meinung, dass Scheubner-Richter ein russischer Spion war, der während des Ersten Weltkrieges auf Deutschlands Seite übergetreten war. Obwohl, wie allgemein bekannt ist, haben viele russische Agenten nach der Revolution weiterhin für die Sowjet Union gearbeitet.

 

Im inneren Memorandum der bayerischen Mächte vom 15. November 1923 hieß es, dass der Baron über große Geldsummen verfügte. Im selben Dokument wurde aber die Möglichkeit, dass das bolschewistische Russland den Hitler-Putsch unterstützte, nicht ausgeschlossen. Zu Moskaus Taktik gehörte immer die Förderung frühzeitiger Aktionen der Weißen.

 

In Wirklichkeit hat der Misserfolg von Hitlers Bierputsch viele rechtsextreme Politiker kompromittiert, womit die Etablierung einer Diktatur in Deutschland in den 20er Jahren verhindert werden konnte.

 

Bis heute bleibt Max Erwin von Scheubner-Richter, wenn er Max Erwin und Richter war, eine Persona non grata für deutsche und russische Historiker. Über ihn ist sehr wenig bekannt und kaum einer schreibt etwas über ihn. Warum auch immer…

 

 

 

 

 

Autor: Sergej Vikman (Hannover)

 

Aus dem Russischen von Yevgeniya Marmer (Hannover)

 

Foto: Max Erwin von Scheubner-Richter

 

 

 

 

 

 

 

 

русская православная церковь заграницей иконы божией матери курская коренная в ганновере

Über Sergej Vikman

Auch lesen

Jedem sein eigenes Marzipan

Laut der Wissenschaft (Marzipan- Brot vom März) ist das eine elastische Paste aus der Mischung …

Schreibe einen Kommentar

Яндекс.Метрика